Sigmar Gabriel:Saufroh

Lesezeit: 2 min

Die Zeit des Außenministers als Vorsitzender der SPD läuft ab. Bei einem Auftritt mit Kanzlerkandidat Schulz demonstriert Gabriel: Er hat sich damit abgefunden.

Von Sebastian Fischer, Wolfenbüttel

Den Schnupfen wird er bis zum Parteitag nicht los. Sigmar Gabriel ist erkältet in seinen letzten Tagen als Vorsitzender der SPD, er hat in dieser Woche Termine abgesagt, um auf seine Tochter aufzupassen - und hat sich wohl angesteckt. Der Schnupfen passt in die Geschichte, die der Außenminister auch am Sonntag erzählen wird, wenn Martin Schulz offiziell den Parteivorsitz übernimmt: Dass ihm, Gabriel, jetzt andere Dinge wichtiger seien als seine eigenen Ambitionen. Auch die Kanzlerkandidatur von Schulz.

Kaum ein Ort ist für diese Botschaft so geeignet wie Wolfenbüttel, Gabriels Wahlkreis, wo ihn die Delegierten am Mittwochabend feiern, seinen Rückzug gutheißen und mit 136 von 138 Stimmen als Direktkandidaten bestätigen. Erstmals seit Januar, als er seinen Verzicht und damit Schulz zum Kandidaten erklärte, treten beide gemeinsam auf. Sie schreiten in die mit 800 Menschen gefüllte Turnhalle zu einer Musik, die sonst Basketballspieler ankündigt. Die Menschen stehen auf und klatschen, Handykameras blitzen. Der Unterbezirksvorsitzende ruft, so viel sei seit Willy Brandt hier nicht mehr los gewesen.

Gabriel und Schulz umarmen sich auf der Bühne, damit es alle Fotografen sehen. Schulz verzichtet zum Großteil auf seine Wahlkampfrede, sagt, er sei "als Freund" gekommen, lobt Gabriels "außergewöhnliche Charakterstärke", im Sinne der Partei nicht selbst zu kandidieren und sagt, Deutschland brauche ihn als Außenminister. Der Auftritt soll sechs Monate vor der Bundestagswahl die Gedanken beiseitewischen, dass Taktiererei um die Kandidatur die Freundschaft arg strapaziert hat. Er werde "mit ganz großer Überzeugung, mit allem was ich tun kann" für Schulz als nächsten Kanzler kämpfen, sagt Gabriel.

Er wirkt entspannt, fast befreit, auch wenn er sich ständig die Nase putzen muss. Er wisse, dass er für den Istzustand stehe, die große Koalition, die Menschen aber Aufbruch wollten. Es habe ihn stolz gemacht, sagt er voller Pathos, siebeneinhalb Jahre lang die Partei zu führen. Er wünsche Schulz mehr als siebeneinhalb Jahre, witzelt er dann - und "viel Spaß, den Sack Flöhe zusammenzuhalten". Der Außenminister ist in Wolfenbüttel "der Sigmar", der die SPD eine "Industrie-Partei" nennt, und "Heimat" einen "modernen Begriff" - was man so sagt in Niedersachsen, wo die Menschen schätzen, dass er auch mal zum Schützenfrühstück vorbeischaut. Am Sonntag wird er auf Zuhörer treffen, die vor allem schätzen, dass er nun nicht mehr an erster Stelle steht. Doch damit scheint sich Gabriel angefreundet zu haben. "Ich bin saufroh", ruft er. Saufroh, dass Schulz Wähler erreicht, die er nie erreicht hat. Und dass die SPD auch wegen ihm, Sigmar Gabriel, wieder da ist.

© SZ vom 17.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: