Sicherungsverwahrung:Menschenrechtsgericht verurteilt Deutschland

Die rückwirkende Sicherungsverwahrung für einen deutschen Gewaltverbrecher verstößt gegen die Europäische Menschenrechtskonvention.

Deutschland hat mit der nachträglichen Verlängerung der Sicherungsverwahrung für einen Gewaltverbrecher gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen. Mit diesem Urteil gab das Straßburger Gericht am Donnerstag einem verurteilten Verbrecher Recht. Ihm muss Deutschland nun 50.000 Euro Schmerzensgeld zahlen.

Das Bundesverfassungsgericht hat nachträgliche Sicherungsverwahrung erlaubt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hält das für rechtswidrig. (Foto: Foto: dpa)

Der 52-jährige mehrfach vorbestrafte Gewaltverbrecher ist im Gefängnis von Schwalmstadt in Hessen inhaftiert, obwohl er seine eigentliche Strafe im September 2001 verbüßt hatte. Er war 1986 in Marburg wegen versuchten Raubmords zu fünf Jahren Haft und zehn Jahren Sicherungsverwahrung verurteilt worden. Eine längere Sicherungsverwahrung konnten die Richter damals nicht anordnen, sie wurde erst 1998 eingeführt.

Im Jahr 2001 allerdings wurde die Sicherungsverwahrung des Mannes auf unbestimmte Zeit verlängert. Die Begründung: Die Gesellschaft müsse vor dem Mann geschützt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat die nachträglich Verlängerung der Sicherungsverwahrung auch gebilligt, weil das absolute Verbot, Gesetze rückwirkend anzuwenden, nicht auf "Maßregeln zur Besserung und Sicherung" anwendbar sei.

Urteil betrifft etwa 70 Verurteilte

Der Gerichtshof für Menschenrechte wertete dieses Vorgehen aber als Verstoß gegen das Grundrecht auf Freiheit und verwies darauf, dass in diesem Fall ein Gesetz nachträglich angewendet worden sei.

In Deutschland sind nach Angaben des Gerichtshofes etwa 70 Häftlinge in einer ähnlichen Situation. Prinzipiell ist Deutschland zur Umsetzung von Urteilen des Gerichtshofs verpflichtet. Dem Gesetzgeber bleibt jedoch überlassen, wie das geschieht.

Gegen das Urteil können beide Parteien binnen drei Monaten Rechtsmittel einlegen. Dann kann eine andere Kammer des Straßburger Gerichts die Entscheidung überpüfen.

© sueddeutsche.de/AFP/dpa/sukl - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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