Schule:Nordseestrand am Horizont

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Niedersachsens Lehrer boykottieren Klassenfahrten - aus Protest. Jetzt wird verhandelt.

Von Johann Osel

Neulich haben es die Schüler auf die harte Tour versucht - durch Gegen-Boykott. So weigerten sich Göttinger und Lüneburger Gymnasiasten, einen landesweiten Mathematik-Vergleichstest mitzuschreiben. Der Grund war derselbe, der vor drei Monaten in Hannover Tausende Schüler aus allen Ecken Niedersachsens auf die Straße trieb, vom Knirps mit Baumelflasche um den Hals bis zum bärtigen Teenager: Seit einem Jahr boykottieren die meisten Gymnasiallehrer Klassenfahrten - aus Protest gegen eine zusätzliche Stunde Unterricht pro Woche und eine gestrichene Entlastung älterer Lehrer, wie von der Regierung verordnet. 75 Prozent aller Gymnasien bieten weniger oder gar keine Reisen mehr an, zeigt eine Umfrage des NDR. Jetzt fanden aber erstmals wieder ersprießliche Gespräche in der seltsamen Causa statt. Sachte Annäherung.

Zuletzt hatten das Kultusministerium wie auch die Lehrergewerkschaften behauptet, dass sich die Gegenseite dem Dialog verweigere. Nun hat Ministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) bei einem Treffen mit Lehrern, Schülern und Eltern Ideen präsentiert. Bislang wird Lehrern nach längeren Fahrten pro Reisetag eine Unterrichtsstunde Entlastung gewährt, maximal vier pro Woche. Die Höchstgrenze will Heiligenstadt kappen. Zudem soll sich unter anderem die Erstattung von Auslagen ändern; bis dato können Pädagogen auf Klassenfahrt nur elf bis 16,50 Euro pro Nacht abrechnen. Heiligenstadt sagte: "Klassenfahrten gehören zu den schönsten Erlebnissen der Schulzeit. Sie sollten niemandem verwehrt bleiben."

Elternvertreter und der Landesschülerrat sprachen von einem "wichtigen Schritt". Und mancher Jugendliche, in Gedanken bei den eigentlich nach Pfingsten üblichen Klassenfahrten, sieht sich wohl schon unterhalb des Eiffelturms flanieren oder am Nordseestrand liegen. Doch da wären noch die Lehrer, und ihr Reaktion macht alles fast noch komplizierter.

Die Gewerkschaft GEW regt sich weiterhin über die Mehrarbeit auf. Seit Kurzem sollen Lehrer für eine GEW-Studie ihre Arbeitszeiten penibel erfassen; zähle man alle Aufgaben abseits des reinen Unterrichts dazu, lande man bei 40 Wochenstunden und mehr. Zu den Fahrten-Änderungen hieß es aber positiv: "Lehrkräfte, für die Klassenfahrten zu ihrem professionellen Selbstverständnis gehören, werden sich freuen." Der Philologenverband teilte mit: Jeder Lehrer müsse selbst entscheiden, ob er den Boykott jetzt beende.

Stets hatten die Lehrervereinigungen in dem Streit darauf verwiesen, dass das Ganze nicht ihre Kampagne sei, sondern eine Entscheidung der Kollegien. Die Personalräte der niedersächsischen Gymnasien nannten Heiligenstadts Pläne ein "Ablenkungsmanöver". Bleibe es bei der Zusatzstunde, bleibe es auch beim Fahrten-Boykott. Fraglich, wie lange man das in den neu angebrochenen Zeiten des Dialogs durchhalten kann.

© SZ vom 21.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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