Schuldenkrise:Griechische Koalition bröckelt

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Vor dem Referendum am Sonntag zeigt die Regierung Zerfallserscheinungen. Finanzminister Varoufakis will zurücktreten, falls die Bürger fürs Sparen votieren. Und Abgeordnete gehen auf Distanz zur Regierung.

Von Christiane Schlötzer und Mike Szymanski, Athen

Kurz vor dem Referendum am Sonntag über die Sparvorgaben aus Brüssel zeigt die griechische Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras Zerfallserscheinungen. Finanzminister Yanis Varoufakis hat wie Tsipras seine politische Zukunft an den Ausgang der Volksabstimmung gebunden. Varoufakis kündigte seinen Rücktritt für nächsten Montag an, sollten die Griechen den Kurs der Regierung nicht billigen und Ja zum Angebot der Kreditgeber sagen. Er würde sich lieber einen Arm abhacken, als einen Kompromiss einzugehen, der keine Restrukturierung der griechischen Staatsschulden vorsieht, sagte Varoufakis Bloomberg TV.

Unterdessen legte der Internationale Währungsfonds (IWF) neue Zahlen zur dramatischen Finanznot des Landes vor.

Spyros Sagias, Generalsekretär der Regierung, wollte am Donnerstag bereits Tsipras seinen Rücktritt anbieten, wie griechische Medien berichteten. Er gilt als Gegner des Referendums und soll vor Tagen den sofortigen Rückzug von Varoufakis verlangt haben. Sagias soll intern geäußert haben, das Referendum zerstöre das Land.

Absetzbewegungen gab es auch beim kleinen Koalitionspartner, den "Unabhängigen Griechen" (Anel). Mehrere Abgeordnete der Rechtspopulisten distanzierten sich von der Volksabstimmung. Der Parlamentarier Kostas Damavolitis sagte: "Ich habe kein Mandat für einen Grexit."

Darüber, ob das Referendum überhaupt rechtmäßig ist und vielleicht sogar annulliert wird, will das Oberste Verwaltungsgericht in Griechenland an diesem Freitag beraten. Griechenlands Staatschef Prokopis Pavlopoulos sagte seinen für nächste Woche geplanten Staatsbesuch in Berlin ab, eine Begründung wurde nicht genannt. Der Präsident würde in Athen aber gebraucht, sollte die Regierung auseinanderbrechen. Erstmals seit sechs Jahren ist der konservative Ex-Premier Kostas Karamanlis im Fernsehen aufgetreten. Er rief die Griechen auf, am Sonntag mit "Ja" zu stimmen. Karamanlis sagte, wer glaube, ein "Nein" stärke die Verhandlungsposition Athens, irre sich. Es wäre vielmehr der "erste Schritt aus Europa heraus". Eine Rückkehr zur Drachme würde das Land nach Angaben von Minister Varoufakis auch vor praktische Probleme stellen. "Wir haben die Notenpressen zerstört", sagte er dem australischen Sender ABC. Im Jahr 2000, ein Jahr vor der Einführung des Euro, "war eines der ersten Dinge, die wir tun mussten, alle unsere Notenpressen loszuwerden".

Nach Ansicht des IWF benötigt Griechenland ein drittes Hilfsprogramm, das bis 2018 laufen und weitere 52 Milliarden Euro an Krediten erfordern würde. Um sicherzustellen, dass die Schuldenlast des Landes anschließend tragfähig ist, müssten die Gläubiger zudem auf 30 Prozent ihrer Forderungen verzichten, erklärte der IWF. Dies wäre auch Voraussetzung dafür, dass der Fonds sich an einem dritten Paket finanziell beteiligt. Grundsätzlich ist er dazu offenbar bereit. Die europäischen Geldgeber machten derweil deutlich, dass es vor dem Referendum am Sonntag keine neuen Gespräche mit Athen geben wird.

© SZ vom 03.07.2015 / csc, msz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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