Schloss Bellevue:Der Duft der Verantwortung

Lesezeit: 3 min

Neuer Hausherr gesucht: Schloss in guter Berliner Lage, bezugsfrei ab dem 17. März 2017. Dann endet die Amtszeit von Joachim Gauck. (Foto: Lukas Schulze/dpa)

Bei der Bundespräsidenten-Wahl sehen sich auch die Linken wieder im Spiel. Sie schauen dabei auf das Projekt Rot-Rot-Grün - und sind sich dabei wie so oft nicht ganz einig.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Doch, sagen sie bei der Linken, die Partei sei wieder auf dem Spielfeld, werde in der Öffentlichkeit anders wahrgenommen als sonst. Alle paar Tage soll ein linker Parteioberer jetzt erklären, was er von Frank-Walter Steinmeier als Bundespräsidenten halten würde oder von Winfried Kretschmann oder Ursula von der Leyen. Ein Staatsoberhaupt, das mit den Stimmen aus dem rot-rot-grünen Lager gewählt werde, sei ein Vorbote von Rot-Rot-Grün im Bund, heißt es überall "Wir gewinnen durch die aktuelle politische Konstellation an Gewicht und Verantwortung, das ist richtig", sagt Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch zu solchen Überlegungen - um gleich vor Selbstüberschätzung zu warnen. "Wir wollen auch bis zum Schluss auf dem Spielfeld bleiben."

Die Linkspartei und die Frage der Gauck-Nachfolge, das ist ein Spiel mit verdeckten Karten, bei dem die Linke bisher nur am Katzentisch saß. Ohne sich mit Linken oder Grünen abzusprechen, hat SPD-Chef Sigmar Gabriel seinen Parteigenossen, Außenminister Frank-Walter Steinmeier, als Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl vorgeschlagen. Damit hat er Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) unter Druck gesetzt, die bisher keinen besseren Anwärter aufgeboten hat. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) möchte kein Staatsoberhaupt werden, auch Verfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle hat abgesagt. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hingegen ist noch im Gespräch, auch mit den Grünen, ebenso Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann.

Am Freitag treffen sich die Koalitionsspitzen erneut, um einen gemeinsamen Kandidaten zu finden. Klappt das nicht, steigen die Chancen für Steinmeier. Er könnte sich per Kampfkandidatur im dritten Wahlgang durchsetzen, mit einfacher und rot-rot-grüner Mehrheit.

Der Linkspartei könnte bei diesem Szenario eine Art Königsmacherrolle zufallen. Denn nur, wenn auch Linke Steinmeier wählen, wäre er im dritten Wahlgang gegen Union und womöglich auch FDP durchsetzbar. Nun ist das Amt des Bundespräsidenten für die Linke nicht eben ein Herzensanliegen. Amtsinhaber Gauck nennt einer in der Fraktion sogar den "Hassprediger aus Rostock". Gleichzeitig spüren die Genossen aber, dass ihnen mit der Mehrheitsbeschaffung in der Bundesversammlung eine Rolle zufallen könnte, die einen ungewohnten Duft trägt: Verantwortung.

Das Amt des Bundespräsidenten ist für die Linke politisch nicht gerade ein Herzensanliegen

Fragt man Fraktionschef Bartsch, ob Steinmeier für ihn wählbar wäre, schimpft er erst einmal auf die große Koalition: "Was Merkel, Gabriel und Seehofer in der Bundespräsidentenfrage abliefern, ist unverantwortlich." Würden linke Wahlleute Steinmeier denn im dritten Wahlgang wählen? Steinmeier sei "Mitarchitekt der Agenda 2010", antwortet Bartsch, für viele Linke also verantwortlich für die Abkehr der Sozialdemokratie vom Sozialen. Einerseits. Andererseits hat Steinmeiers Warnung vor Säbelrasseln des Westens in der Ukrainekrise in der Linken mehr Sympathien geweckt, als manche zugeben mögen.

Die Fraktionschefs der Linken wollen sich die Kandidatenfrage möglichst lange offenhalten, auch damit die Linke im letzten Wahlgang noch ein Wörtchen mitzureden hat. Damit müsste aber auch die Option Steinmeier offengehalten werden. An der Parteispitze sah man das zunächst anders. Parteichef Bernd Riexinger nannte Steinmeier spontan "unwählbar". Auch Parteichefin Katja Kipping winkte ab. "Das ist doch kein Signal des Aufbruchs", sagte sie. Die Fraktionschefs halten dagegen. Vor die Wahl gestellt, eine Kandidatin wie Erika Steinbach zu wählen oder Steinmeier, heißt es hier, würde die Linke sich doch wohl für Letzteren entscheiden.

Nun stellt sich aber nicht die Frage, ob die CDU-Politikerin Steinbach Bundespräsidentin wird. Die Wahl könnte kniffliger werden, auch für die Linke. Was, wenn sie zwischen Steinmeier und dem grünen Ministerpräsidenten Kretschmann entscheiden muss? "Kretschmann ist CDU plus Krötenzaun; also das wäre für uns keine Option", sagt Fraktionschefin Sahra Wagenknecht dazu. Dann vielleicht Verteidigungsministerin von der Leyen,die immerhin für berufstätige Mütter gekämpft hat? "Sie steht für Interventionskriege, Aufrüstung, also da gibt es keinerlei Übereinstimmung." Dann lieber Steinmeier? Rückgrat in sozialen Fragen habe er nicht, sagt Wagenknecht. "Steinmeier hat aber auch zu erkennen gegeben, dass er innerhalb der Nato eine Eskalationspolitik nicht vorbehaltlos unterstützt." Sollte Hillary Clinton US-Präsidentin werden und eine offensive Außenpolitik betreiben, wäre es gut, sagt sie, wenn Steinmeier "widerspricht".

Das darf man als freundliches Vielleicht verstehen, im Ernstfall wohl als Ja. Wagenknecht aber will dies keinesfalls auch als Ja zu einer rot-rot-grünen Bundesregierung verstanden wissen. "Ein wirkliches Signal für Rot-Rot-Grün wäre ein gemeinsamer Kandidat gewesen", sagt sie. Auch ein Zweckbündnis mit SPD und Grünen bei der Präsidentenwahl mache "die politischen Differenzen nicht kleiner". Jetzt bloß nicht abheben, rät Fraktionschef Bartsch. Das "süße Gift des Angekommenseins" dürfe die Partei nicht darüber hinwegtäuschen, dass ihr ein harter Bundestagswahlkampf bevorstehe. Für Schloss Bellevue will die Linke nun einen eigenen Kandidaten finden, notgedrungen. Schon jemand in Sicht? Verschlossene Gesichter.

© SZ vom 09.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: