Sachsen:"Gute Nacht"

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Ein Bautzener CDU-Politiker und stellvertretender Landrat chattet vertraut mit einem örtlichen Rechtsextremen. Der Landrat entieht ihm die Zuständigkeit für das Ausländeramt. Zusätzlich wird nun sein Rücktritt verlangt.

Von Antonie Rietzschel, Berlin

Es klingt wie der Dialog zwischen guten Bekannten: "Einen schönen Sonntagabend noch!", steht in dem Chatverlauf. "Wünsche ich Ihnen und Ihrer Familie auch", kommt als Antwort. Das Gespräch zieht sich über Tage. Man wünscht sich "Gute Nacht", versucht sich gegenseitig zu bestärken. Die vertraulichen Worte lösen derzeit in der sächsischen Stadt Bautzen Ärger aus. Denn es handelt sich eigentlich nicht um gute Bekannte, sondern um den stellvertretenden Landrat und CDU-Politiker Udo Witschas sowie den Rechtsextremen Marco Wruck. Der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) hat um Aufklärung in der Affäre gebeten.

Das Bekanntwerden der Chatverläufe belastet die ohnehin angespannte Atmosphäre in der Stadt. Ein Jahr sind die Krawalle auf dem Kornmarkt her. Damals hatten Rechtsextreme Flüchtlinge durch die Stadt gejagt. Heidenau, Clausnitz, Bautzen - die Stadt reihte sich ein in eine Liste von Orten, an denen es zu heftigen rechtsextremen Übergriffen gekommen war. Ende Juli 2017 gab es auf dem Kornmarkt erneut Auseinandersetzungen. Im Zuge dessen traf sich der stellvertretende Landrat Udo Witschas mit Marco Wruck, dem damaligen Kreischef der NPD, zum dreistündigen Gespräch.

Wruck scheint ein gefragter Mann in der Stadt zu sein, dabei sitzt die NPD nicht einmal im Kreistag. Auch SPD-Bürgermeister Alexander Ahrens, der seiner Stadt ein Problem mit rechts bescheinigt, hatte sich vor Monaten mit Wruck getroffen. Er bezeichnete ihn jedoch jüngst als "Idioten" und "unfähig zu einem vernünftigen Dialog". Witschas Chef, Landrat Michael Harig, ebenfalls CDU, sprach nach einem Gespräch mit Wruck Ende 2016 dagegen von einer "vernünftigen und sachlichen Atmosphäre".

Udo Witschas hatte in der Vergangenheit immer wieder betont, dass das jüngste Gesprächsangebot von Wruck ausgegangen sei. Doch die veröffentlichten Chatverläufe, deren Echtheit Witschas bestätigte, lassen auch eine andere Interpretation zu. Der Kontakt bei Facebook kam über Wrucks Frau zustande, der Witschas eine Freundschaftsanfrage geschickt hatte.

Sie weist den Vize-Landrat in einer Nachricht darauf hin, dass ihr Mann definitiv Interesse am Gespräch hätte. "Mit Herrn Wruck würde ich mich gern mal treffen, habe überhaupt nichts gegen ihn. Kinderlieb scheinen wir ja beide zu sein, ich hab grad vier am Abendbrottisch sitzen gehabt", antwortet Witschas. Schließlich schreibt ihm der NPD-Mann direkt über das Profil seiner Frau. Daraufhin kommt der Termin Anfang August zustande.

Nach dem Treffen tauschen sich Wruck und Witschas weiter über Facebook aus. Der Vize-Landrat informiert den Rechtsextremen vorab über ein Verbot für einen stadtbekannten Mehrfachintensivtäter, der unter dem Namen "King Abode" bekannt wurde. Der Flüchtling aus Libyen darf die Stadt vorerst nicht mehr betreten.

Den vertraulichen Ton begründet Witschas damit, dass er eine weitere Eskalation der Situation verhindern wollte.

Politiker im Kreistag, aber auch auf Landesebene fordern nun seinen Rücktritt. Flüchtlingsinitiativen kündigen an, die Zusammenarbeit mit dem Landratsamt in bestimmten Bereichen einzustellen. Bei einem Treffen der Fraktionsvorsitzenden am Montagabend entzog Landrat Michael Harig seinem Stellvertreter die Zuständigkeit für das Ausländeramt. Die Fraktionen wollen nun beraten, ob sie bei der nächsten Kreistagssitzung den Antrag einbringen, dass Witschas abberufen wird. Allerdings hat die CDU bereits signalisiert, einen solchen Antrag nicht mittragen zu wollen.

© SZ vom 23.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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