Russland:Putin schlägt Haken

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Der russische Präsident hatte kürzlich noch erklärt, die Rolle des syrischen Herrschers Assad sei für Moskau nicht zentral. Jetzt will er ihn ausdrücklich retten. Und darüber am Montag mit US-Präsident Barack Obama sprechen.

Von Julian Hans, Moskau

Es wirkt ein bisschen, als habe Wladimir Putin die 70. Generaldebatte der Vereinten Nationen drei Tage vor ihrem offiziellen Beginn eröffnet. Die Krise in Syrien könne nur gelöst werden, indem die Regierung von Baschar al-Assad gestärkt werde, sagte der russische Präsident in einem Interview, das der US-Sender CBS am Freitag in Auszügen vorab veröffentlichte. Auf die Frage, ob es stimme, dass eines der Ziele Moskaus sei, die Regierung von Diktator Baschar al-Assad zu retten, antwortete er: "Genau so ist es".

Damit hat Putin innerhalb weniger Wochen bei der Erklärung der russischen Ziele in Syrien mehrere Haken geschlagen. Anfang des Monats hatte er auf einem Wirtschaftsforum in Wladiwostok erklärt, Russland wolle sich dem Kampf gegen die Terror-Miliz "Islamischer Staat" anschließen, dafür aber eine eigene Allianz mit Nachbarländern Syriens bilden. Die Rolle Assads sei für Moskau nicht zentral. Der Diktator sei sogar zu Neuwahlen bereit, erklärte Putin damals.

Das Angebot, sich dem Kampf gegen den internationalen Terror anzuschließen, entfaltete seine Wirkung in Verbindung mit dem eiligen Aufbau zweier Luftwaffen-Basen an Syriens Küste: Erstmals seit Beginn der Ukraine-Krise telefonierte der US-Verteidigungsminister mit seinem russischen Kollegen. Anfang der Woche schloss sich auch Angela Merkel der Position an, man müsse mit Assad reden.

Vor dem Treffen von Vertretern aus 192 Staaten, das Montag beginnt, schilderte Putin seine Deutung der Ereignisse im arabischen Frühling: Es gebe "keinen anderen Weg, die Krise in Syrien zu lösen, als die bestehenden staatlichen Institutionen zu stärken und sie beim Kampf gegen den Terrorismus zu unterstützen". Andernfalls drohe Chaos und Zerfall des Staates wie in Libyen.

Assad kontrolliert indes schon jetzt nur noch einen kleinen Teil des Landes. Während in Syrien nach der Ermordung des Führers Muammar al-Gaddafi etwa 6000 Menschen getötet wurden, sind in den viereinhalb Jahren Bürgerkrieg in Syrien 250 000 Menschen gestorben, die mit Abstand meisten nicht durch den IS, sondern durch Regierungstruppen.

Am Rande der UN-Vollversammlung in New York wird es nun doch ein Treffen zwischen Putin und Barack Obama geben. Dazu, worüber die Präsidenten sprechen werden, machten beide Seiten unterschiedliche Angaben; in Washington hieß es, Obama wolle mit Putin in erster Linie über die Ukraine sprechen, Putins Sprecher erklärte am Freitag in Moskau: "Natürlich wird an erster Stelle das Thema Syrien stehen". Über die Ukraine werde man sprechen, "wenn noch Zeit bleibt".

Will mit Obama über Syrien reden: Wladimir Putin. (Foto: Ivan Sekretarev/AFP)

Wie wichtig ein Kampf gegen den IS für Putin überhaupt ist, bleibt offen. In Staatsmedien spielt eine mögliche Bedrohung durch Islamisten für den russischen Staat nur am Rande eine Rolle. Es würde der Erzählung zuwiderlaufen, dass Moskau das Terror-Problem im Kaukasus mit dem Ende des zweiten Tschetschenien-Krieges in den Griff bekommen hat. Öffentlich spricht Putin stets nur von der Bedeutung des "Kampfes gegen den internationalen Terror", als sei dieser nicht in hohem Maße ein innerrussisches Problem.

Glaubt man den Staatsmedien, sieht der Kreml sich mehr durch Umsturz-Verschwörungen der USA bedroht als durch den Terrorismus. Es ist das Bild des ermordeten Gaddafi, das immer wieder aufgefrischt wird. Den Terrorismus glaubt man in den Griff kriegen zu können.

Dabei hat Putin zu Hause selbst erlebt, wie nach der Niederschlagung eines Volksaufstandes Islamisten in das Machtvakuum treten. Es waren ehemalige sowjetische Offiziere, die im ersten Tschetschenienkrieg für Autonomie kämpften. Erst als Moskau jedes Zugeständnis verweigerte und sie kaltgestellt waren, traten im zweiten Tschetschenienkrieg Islamisten an ihre Stelle.

© SZ vom 26.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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