Russland:Moskau lässt die Muskeln spielen

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Am Tag nach den US-Wahlen attackiert Medwedjew Washington scharf - und kündigt an, als Reaktion auf die US-Raketenabwehr Raketen in Kaliningrad zu stationieren.

Der russische Präsident Dmitrij Medwedjew hat angekündigt, als Antwort auf den US-Raketenschild in Osteuropa Kurzstreckenraketen in der Exklave Kaliningrad zu stationieren. In seiner ersten Rede an die Nation sagte Medwedjew am Mittwoch in Moskau, mit den Iskander-Raketen solle der US-Raketenschild "neutralisiert" werden. Kaliningrad liegt als russische Exklave zwischen Litauen und Polen.

Mit Kurzstreckenraketen will Russland die US-Pläne kontern. (Foto: Foto: AFP)

Medwedjew machte keine Angaben darüber, wieviele Raketen in der Exklave aufgestellt werden und ob sie mit Atomsprengköpfen bestückt werden sollen. Er sagte jedoch, Russland werde auch Geräte einsetzen, mit denen die geplanten US-Raketenabwehrstandorte in Polen und Tschechien elektronisch gestört werden könnten.

In seiner 85-minütigen Rede gratulierte der Kremlchef dem neugewählten US-Präsidenten nicht zu seinem Erfolg. Er sprach aber die Hoffnung aus, dass die Regierung von Barack Obama "sich für vollwertige Beziehungen mit Russland entscheidet".

Zugleich griff Medwedjew die USA hart an. Deren "hochnäsige" Politik habe zum Georgien-Konflikt und zur Finanzkrise geführt. Der Kaukasuskonflikt sei als Vorwand genutzt worden, um Nato-Schiffe ins Schwarze Meer zu schicken und den US-Raketenschild einzurichten.

Erstes Treffen von Medwedjew und Obama offenbar beim G-20-Gipfel

Medwedjew wird seinen künftigen US-Kollegen Barack Obama voraussichtlich erstmals am Rande des G-20-Gipfels am 15. November in Washington treffen. Dies sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow den russischen Nachrichtenagenturen Interfax und ITAR-TASS.

Die US-Regierung bezeichnete die Pläne Russlands zur Stationierung von Raketen in Kaliningrad als "enttäuschend". Moskau werde "hoffentlich eines Tages verstehen", dass sich der US-Raketenschild nicht gegen Russland richtet, sagte Außenministeriumssprecher Sean McCormack. Die USA wollen sich damit nach eigenen Angaben vor allem gegen mögliche Angriffe des Irans oder Nordkoreas wappnen. Das US-Verteidigungsministerium hatte zuvor bereits erklärt, dass es seine Pläne zur Installation eines Radarsystems in Tschechien sowie der Stationierung von Abfang Raketen in Polen trotz der russischen Ankündigung fortsetzen werde.

Die Bundesregierung kritisierte die Äußerungen Russlands. Außenminister Fraunk-Walter Steinmeier (SPD) fordert von Moskau ein Zugehen auf die USA: Die russische Regierung müsse "diese Chance jetzt auch wirklich suchen." Sonst werde die Möglichkeit, "mit Amerika neu ins Gespräch zu kommen", ungenutzt verstreichen. Die Wahl Barack Obamas schaffe "völlig neue Möglichkeiten" in der internationalen Politik, da der künftige US-Präsident sich einen neuen Zugang zu Konflikten suchen werde, sagte Steinmeier am Mittwochabend im ZDF.

Ähnlich äußerte sich Jens Plötner, der Sprecher des Auswärtigen Amts: "Ich halte diese Ankündigung gerade am heutigen Tag für ein falsches Signal zum falschen Zeitpunkt", sagte er in Anspielung auf das zeitliche Zusammentreffen mit der US-Präsidentenwahl. Außenminister Frank-Walter Steinmeier werde dieses Thema bei nächster Gelegenheit mit der russischen Seite besprechen.

Der polnische Regierungschef Donald Tusk sagte zur Ankündigung des russischen Präsidenten: "Ich würde solchen Erklärungen kein übermäßiges Gewicht beimessen". Er betrachte Medwedjews Worte als einen "weiteren politischen, aber keinen militärischen Akt." Die Sicherheit Polens, der EU und der Nato-Länder hänge in einem "relativ geringen" Maß von Äußerungen dieser Art ab. Das Militärpotenzial Russlands sei aber groß, so Tusk nach Angaben der polnischen Nachrichtenagentur PAP.

Ein Sprecher der NATO äußerte Bedenken, dass Moskaus Raketenpläne gegen bestehende Abkommen zur Rüstungskontrolle verstoßen könnten. Er sorge sich zudem, weil die angekündigte Stationierung von Iskander-Raketen in Kaliningrad nicht zur Verbesserung der ohnehin schon abgekühlten Beziehung zwischen der NATO und Russland beitragen werde.

Harte Linie im Kaukasuskonflikt

Medwedjew kündigte zugleich an, im Kaukasus werde Russland nicht zurückweichen. Nach dem Versuch Georgiens, die Kontrolle über das abtrünnige Südossetien wiederzuerlangen, marschierten Anfang August russische Truppen in Georgien ein. Medwedjew war im März zum Nachfolger von Wladimir Putin gewählt worden, der das Amt des russischen Ministerpräsidenten übernahm. Der Georgien-Konflikt war die erste große Bewährungsprobe für den neuen Staatschef.

Zugleich schlug Medwedjew in seiner Rede vor, die Amtszeit für das höchste Staatsamt von vier auf sechs Jahre zu verlängern. Dies sei erforderlich, damit die Regierung effektiver Reformen umsetzen kann, sagte er. Auch die Legislaturperiode des Parlaments sollte verlängert werden, und zwar von vier auf fünf Jahre.

Vor dem Hintergrund der internationalen Finanzkrise forderte der Kremlchef eine radikale Reform des Weltfinanzsystems. Russland sei zur Zusammenarbeit mit den USA, der Europäischen Union und den sogenannten BRIC-Schwellenländern Brasilien, Indien und China bereit.

© dpa/AFP/AP/beu/gba - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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