Russland:Mit 100 000 Euro im Restaurant

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Die russischen Behörden nehmen wegen des Vorwurfs der Bestechung einen Gouverneur fest, der einst ein Liberaler war. Verwickelt ist offenbar auch eine deutsche Firma.

Von Julian Hans, Moskau

Mitarbeiter des russischen Ermittlungskomitees und des Geheimdienstes FSB haben am Freitag den Gouverneur des Gebiets Kirow, Nikita Belych, festgenommen. Ihm wird vorgeworfen, insgesamt 400 000 Euro Bestechungsgeld erhalten zu haben. Es soll von einem deutschen Unternehmer stammen.

Nach Darstellung der Ermittler wurde Belych bei der Übergabe einer Tranche von 100 000 Euro in einem Moskauer Restaurant gestellt; zwei Holz verarbeitende Betriebe hätten sich damit Vorteile erkaufen wollen. Das Ermittlungskomitee veröffentlichte Fotos des 41-Jährigen an einem Tisch mit mehreren Bündeln aus Hundert-Euro-Scheinen. Belych bestreitet nicht, das Geld genommen zu haben, behauptete aber, es sei für die Entwicklung der Region bestimmt gewesen.

Belych ist der dritte Gouverneur innerhalb von anderthalb Jahren, der wegen Bestechungsvorwürfen festgenommen wird. Es wird damit gerechnet, dass er in Kürze seinen Posten verliert. Das Staatsfernsehen präsentiert die Verfahren als Beispiele effektiver Korruptionsbekämpfung. Unabhängige Medien spekulierten derweil über einen politischen Hintergrund, zumal handfeste Indizien für Korruption kreml-treuer Politiker von den russischen Behörden regelmäßig ignoriert werden.

Belych galt als letztes Überbleibsel der liberaleren Medwedjew-Jahre. Präsident Dmitrij Medwedew hatte den damaligen Chef der Oppositionspartei SPS 2009 zum Gouverneur ernannt. In der Anfangszeit beschäftigte Belych Alexej Nawalny; der Anti-Korruptions-Aktivist Nawalny ist heute einer der populärsten Kreml-Kritiker. 2013 verurteilte ihn ein Gericht wegen Betrugs im Holzhandel. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellte später fest, dass das Verfahren rechtsstaatliche Prinzipien verletzte und sprach Nawalny eine Entschädigung zu.

Die Scheine waren mit einem Mittel getränkt, das auch an den Fingern Belychs sichtbar wurde

Belych fügte sich indessen in die russische Machtvertikale ein, hielt sich mit Kritik zurück und wurde bei der letzten Wahl sogar von der Kreml-Partei Einiges Russland unterstützt. Der im Exil lebende Putin-Gegner Michail Chodorkowskij kommentierte am Samstag: "Die Zusammenarbeit mit dieser Staatsmacht führt ins Unglück".

Unklar ist die Rolle des deutschen Unternehmers. Eine der beiden Firmen, die in die Bestechung verwickelt sind, ist der Pressspanplatten-Hersteller Nowowjatskij Ski-Kombinat, eine Tochterfirma des Autozulieferers Sudheimer Car Technik Vertrieb (SCT) mit Sitz in Wedel bei Hamburg. Dessen Chef Juri Sudheimer, ein Deutscher mit russischen Wurzeln, habe Belych am Freitagabend in dem Moskauer Restaurant getroffen, berichtet die Agentur Interfax und beruft sich auf eine Quelle im Umfeld des Gouverneurs. Demnach habe Sudheimer vorgehabt, Geld in eine schwarze Kasse der Kirower Verwaltung einzuzahlen. Laut Ermittlungskomitee waren die Scheine mit einem Mittel getränkt, das in ultraviolettem Licht später auch an Belychs Fingern sichtbar wurde. Das legt nahe, dass der Überbringer mit den Ermittlern zusammengearbeitet hat.

Ein Sprecher von SCT in Wedel bestätigte der Süddeutschen Zeitung, dass das Unternehmen die Tochterfirma im Gebiet Kirow besitzt. Das Projekt habe der Firmeninhaber Juri Sudheimer persönlich betreut. Anfragen der SZ ließ Sudheimer unbeantwortet.

© SZ vom 28.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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