Russland:Kremlglanz und Kosakenpeitsche

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In Militärkleidung und mit Kosakenmützen gehen diese Männer bei einer Demonstration in Moskau gegen Anhänger der Opposition vor. Eine Gruppierung soll in zwei Jahren etwa 200000 Euro von der Moskauer Stadtverwaltung erhalten haben, um für den Einsatz zu trainieren. (Foto: Maxim Zmeyev/AFP)

Präsident Putin setzt auf Tradition: Medwedjew bleibt Regierungschef, und bei der Sicherung der öffentlichen Ordnung hilft ein Heer von kräftig zulangenden Kämpfern - das hat seine Wurzeln in der Zarenzeit.

Von Julian Hans, Moskau

Zum Start seiner vierten Amtszeit im Kreml hat Wladimir Putin die Weichen auf ein "Weiter so" gestellt. Gemäß der russischen Verfassung musste die Regierung am Montag nach der Vereidigung des Präsidenten zurücktreten. Wenig später schlug Putin erneut Dmitrij Medwedjew als Premierminister vor. Das Parlament muss die Kandidatur an diesem Dienstag bestätigen. Während Putin Beliebtheitswerte um die 80 Prozent genießt, zeigten sich in Umfrage mehr als die Hälfte der Russen unzufrieden mit Medwedjew und seiner Regierung. Allerdings trifft diese Geringschätzung in unterschiedlicher Ausprägung alle Institutionen des Staates mit Ausnahme des Präsidenten.

Woher dieses Gefälle kommt, lässt sich auch aus dem ersten Erlass erahnen, den der Kreml am Montag veröffentlichte. Putin ordnete an, in den nächsten sechs Jahren die Lebenserwartung von 72,5 auf 78 Jahre zu steigern und die Armut im Land zu halbieren. Die Umsetzung dieser Vorgaben bleibt der Regierung überlassen. Zur Inaugurations-Zeremonie im Andreas-Saal des Großen Kremlpalasts waren am Montag auch ausländische Gäste gekommen, darunter der ehemalige Bundeskanzler und Energie-Lobbyist Gerhard Schröder sowie der amerikanische Actionstar Steven Seagal.

Kanzlerin Angela Merkel wird am 18. Mai nach Russland reisen und Putin in der Schwarzmeer-Stadt Sotschi treffen, das bestätigte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer in Berlin. Gleichzeitig kritisierte die Bundesregierung das harte Vorgehen gegen Demonstranten, die am Samstag gegen Putin auf die Straße gegangen waren. "Wir sind besorgt über die Meldungen und die hohe Zahl von Verletzten, sowie über die Verhaftung von Minderjährigen", sagte Demmer.

Bei Demonstrationen in mehr als 60 Städten waren am Samstag mehr als 1600 Personen festgenommen worden, viele davon Schüler. Die meisten Festnahmen gab es in der Hauptstadt, dort zählte die Organisation OVD-Info mehr als 700 Personen, die vorübergehend in Gewahrsam genommen wurden. Bevor die Festnahmen in Moskau begannen, hatten dort Männer in Militärkleidung und Kosaken-Mützen Demonstranten angegriffen. Polizei und Nationalgarde agierten augenscheinlich in Abstimmung mit den Schlägern. Erst als einer der Männer mit einer Kosakenpeitsche auf Demonstranten einschlug, wurde er von Beamten gestoppt.

Kosaken sollen auch bei der Fußball-WM eingesetzt werden. Die Fifa antwortet ausweichend

Mittlerweile wurde bekannt, dass die als Kosaken gekleideten Männer von der Moskauer Stadtverwaltung bezahlt wurden. Die russischsprachige Nachrichtenseite The Bell berichtete, dass eine Gruppierung mit Namen "Zentrales Kosakenheer" in den vergangenen zwei Jahren umgerechnet insgesamt etwa 200 000 Euro aus dem Haushalt erhalten habe, um in einem Trainingslager außerhalb der Hauptstadt Einsätze gegen Demonstranten zu üben. Die Stadtverwaltung hatte im März auf ihrer Website berichtet, dass die "Kosaken" solche Übungen "zum Schutz der öffentlichen Ordnung" mit "großem Engagement" absolviert hätten.

Laut The Bell gibt es Pläne, die Schlägertrupps auch während der Fußballweltmeisterschaft im Sommer einzusetzen. "Die Nationalgarde und die Kosaken werden die Sicherheit bei der Fußballweltmeisterschaft gewährleisten", heißt es auf einer Website des Zentralen Kosakenheers.

Laut dem Bericht vom Dezember vergangenen Jahres nahm der Verband an einer Übung von Polizei und Nationalgarde im Moskauer Spartak-Stadion teil. Auf die Frage, ob der Fifa diese Pläne bekannt seien, antwortete ein Sprecher des Weltfußballverbandes ausweichend. Die Fifa befinde sich wegen des Turniers "mit Russland und internationalen Behörden in regelmäßigem Austausch über Sicherheitsfragen", sagte ein Sprecher per E-Mail. Da Fragen der öffentlichen Sicherheit in die Zuständigkeit der russischen Behörden fielen, könnten nur diese Auskunft zu den Details geben. Grundsätzlich unterstütze die Fifa jedoch das Recht auf friedliche Demonstrationen.

Im Zarenreich hatten Kosaken an den Rändern des Imperiums die Autorität des Zaren verteidigt - gegen Invasoren von außen, oft aber auch mit Gewalt gegen Untertanen. Mit jenen freien Kosaken haben die Männer, die am Samstag in Moskau zuschlugen, aber höchstens die Mützen gemeinsam. Und die Brutalität.

© SZ vom 08.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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