Russland:Kommt nach Hause

Lesezeit: 2 min

Wegen der Krise mit dem Westen will Moskau russische Auslandsstudenten zurück in die heimischen Hörsäle locken. Das dürfte allerdings nicht ganz leicht werden.

Von Frank Nienhuysen, München

Es soll witzig klingen, ist aber ernst gemeint. In dieser Woche wurde in Russland ein Projekt vorgestellt, mit dem sehr langen Titel "Highly Likely Welcome Back, oder: Es ist Zeit, nach Hause zu kommen." Gemeint sind junge Russen, die an Universitäten im Ausland studieren und zurück nach Russland gelockt werden sollen. Highly likely, also höchstwahrscheinlich - mit dieser Einstufung hatte die britische Premierministerin Theresa May Russland für das Giftattentat auf den Ex-Spion Sergej Skripal und seine Tochter Julia verantwortlich gemacht. Auch das Klima ist vergiftet, so sehr, dass Moskau glauben machen will, die Studenten könnten Schaden nehmen in den Hörsälen Großbritanniens.

"Es stellt sich die ernste Frage nach der Sicherheit unserer jungen Leute, die im Ausland studieren", sagte Oxana Burjak von der staatlichen Agentur Rossotrudnitschestwo, die für den internationalen Kulturaustausch zuständig ist und das Projekt vorgestellt hat. "Sie könnten unter Provokationen in jenen Ländern leiden, die unfreundliche Beziehungen zu unserem Land offenbaren." Offensichtlich sollen sich vor allem Studierende im Vereinigten Königreich angesprochen fühlen. Aber ein Studienplatz im westlichen Ausland ist für Russen ein begehrtes Gut, das gilt für Mittelstandsrussen wie für Oligarchen- und Politikerkinder. Auch die Tochter von Kremlsprecher Dmitrij Peskow hat in Paris studiert - und gesagt, in einem Jahr habe sie dort mehr gelernt als in einem Jahr an der Moskauer staatlichen Universität.

Das Programm will Rückkehrern auch abgelegene Regionen Russlands schmackhaft machen

Knapp 60 000 russische Studenten lernen im Ausland, etwa 10 000 von ihnen in Deutschland, mehr als 5000 in den USA, 3600 in Frankreich, und mehr als 4000 in Großbritannien. Warum sollten sie vorzeitig zurückgehen? Darüber haben sich auch die Autoren des Projekts den Kopf zerbrochen. Sie versuchen mit vereinfachter Anerkennung von Dokumenten und Prüfungsergebnissen zu locken, stellen die Vermittlung von Arbeitsplätzen in Aussicht. Unter den Universitäten, die sich besonders um Rückkehrer bemühen wollen, ist das in Russland angesehene MGIMO, die Kaderschmiede des Außenministeriums.

Bei der Präsentation des Projekts fiel auch der Name der russischen Region Ferner Osten, wo gute Verdienst- und Aufstiegsmöglichkeiten angepriesen wurden. Sergej Minajew, Chefredakteur der russischen Magazin-Ausgabe des Esquire, befand hingegen, "von den russischen Studenten in London wird highly likely niemand im Fernen Osten arbeiten wollen". Und ein Leser der Nowaja Gasjeta schrieb bissig, ihn interessiere eigentlich mehr die Frage, ob Russen nun in China und Venezuela studieren sollen. "Mehr befreundete Länder sind nicht übrig geblieben."

Aber auch die kalifornische Stanford-Uni hat aus dem neuen Misstrauen Konsequenzen gezogen und ihr Russland-Programm suspendiert. Es scheint, als würde sinnvoller Studentenaustausch langsam abgewickelt.

© SZ vom 20.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: