Russland:Einreiseverbot erzürnt Parlamentarier

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Politiker aller Parteien tadeln das Moskauer Dekret, 89 Personen aus der EU an der Grenze abzuweisen. Man lasse sich nicht "auf diese Art und Weise mundtot machen". Auf der Liste befinden sich auch viele Deutsche.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Die Entscheidung Moskaus, Dutzende europäische Politiker nicht mehr nach Russland reisen zu lassen, stößt in allen Bundestagsfraktionen auf Kritik. "Die Einreiseverbote sind unverhältnismäßig. Wir brauchen das Gespräch auf allen Ebenen, auch unter Parlamentariern", sagte der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich. Statt Einreiseverbote zu erteilen, müsse Russland das Minsker Abkommen für einen Waffenstillstand in der Ostukraine umsetzen, sagte Unionsfraktionsvize Franz Josef Jung der Süddeutschen Zeitung: "Russland isoliert sich selbst." Schon am Samstag hat Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) die Verbote "nicht besonders klug" genannt. Sie seien nicht geeignet, "einen hartnäckigen, gefährlichen Konflikt in der Mitte Europas zu entschärfen".

Die russische Regierung hat für 89 amtierende und ehemalige Politiker, Diplomaten, Geheimdienstmitarbeiter und Armeeangehörige der EU ein Einreiseverbot verhängt. Dies sei eine Antwort auf die "Sanktionskampagne", die einige EU-Staaten unter Führung Deutschlands gegen Russland führten, sagte ein ranghoher russischer Diplomat. Die Maßnahme zielt auf Kritiker der russischen Ukraine-Politik. Unerwünscht in Russland sind nun der Fraktionschef der Liberalen im EU-Parlament, Guy Verhofstadt; der frühere britische Vize-Regierungschef, Nick Clegg; ferner der estnische Justizminister Urmas Reinsalu und der tschechische Ex-Außenminister Karel Schwarzenberg. Dieser kommentierte das Verbot mit dem Satz: "Das ist mir eine Ehre." Zu den Deutschen auf der Liste gehört der CDU-Außenpolitiker Karl-Georg Wellmann, der CSU-Politiker Bernd Posselt, Verteidigungs-Staatssekretärin Katrin Suder, der frühere Grünen-Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit, der Inspekteur der Luftwaffe, Karl Müllner, sowie Uwe Corsepius, der künftige Europa-Berater von Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Ein Einreiseverbot nach Italien würde ihn härter treffen, sagte der ebenfalls betroffene CDU-Fraktionsvizechef Michael Fuchs: "Allerdings finde ich es unerträglich, dass Politiker auf diese Art und Weise mundtot gemacht werden sollen." Die Fraktionschefin der Grünen im Europaparlament, Rebecca Harms, die wegen ihrer Sanktionsforderungen seit September nicht mehr nach Russland fahren darf, sagte der SZ, sie bleibe bei ihrer Haltung. "Ich finde Sanktionen richtig als zivile Antwort auf ein militärisches Vorgehen wie auf der Krim und im Donbass." Die grüne Fraktionschefin im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, riet zu Gelassenheit. Die Liste sei schädlich für die wichtigen Gesprächsbemühungen mit Russland. "Aber wir sollten sie nicht bedeutsamer erscheinen lassen, als sie ist."

Kritik kam auch vom Linken-Außenpolitiker Stefan Liebich. "Ich finde die Entscheidung der russischen Regierung genauso falsch wie die Entscheidung der EU, russische Parlamentarier nicht mehr einreisen zu lassen", sagte er. Auch der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Philipp Mißfelder sagte, Reiseeinschränkungen beider Seiten seien kontraproduktiv.

© SZ vom 01.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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