Russland:Dostojewski gewinnt

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Immer mehr Zocker-Zonen: Wladimir Putin will die Wirtschaft des Landes beleben - mit Investitionen in Spielcasinos. Man kann nicht behaupten, dass die Nachfrage größer ist als das Angebot.

Von Julian Hans

"Ich habe ja gar kein Geld", sagt der roulettesüchtige General in Fjodor Dostojewskis Roman "Der Spieler". "Um Geld verspielen zu können, muss man doch welches besitzen." Aber der Rat der Klassiker gilt im heutigen Russland nicht viel. Seitdem der russische Staat, Folge der Wirtschaftskrise, unter akuter Geldknappheit leidet, sollen ausgerechnet neue Sonderzonen für Glücksspiel helfen, die Konjunktur zu beleben.

Die größten Erwartungen ruhen derzeit auf dem fernen Osten Russlands. In der Spielzone "Primorje", 50 Kilometer von Wladiwostok am Japanischen Meer gelegen, werden derzeit die Spieltische montiert und Croupiers trainiert. Ende August soll das "Tigre de Cristal"-Casino eröffnen. Hongkongs Glücksspiel-Boss Laurence Hoo hat hier 800 Millionen Dollar investiert. Er setzt darauf, dass die Anziehungskraft der Spielsucht über die Landesgrenzen hinweg wirkt und auch 120 Millionen spielwütige Chinesen erfasst. Dann könnten sich auch die beiden Hyatt-Hotels füllen, die für den Asia Pacific Gipfel 2012 nicht mehr rechtzeitig fertig wurden und seitdem weitgehend leer stehen.

Primorje ist eine von vier 2009 ausgewiesenen Zocker-Zonen. Im vergangenen Jahr sind zwei neue dazugekommen: eine in Sotschi und eine auf der Krim. Noch im Februar 2014 hatte Putin Glücksspiel am Olympia-Ort abgelehnt. "Das lockt Kriminelle an", sagte er, um dann zu relativieren: Es sei eben ein "eigenartiges Publikum", das nicht in einen Kurort passe, in dem Familien Urlaub machen. Doch nachdem sich gezeigt hat, dass die vielen Hotels und Apartments, die für die Winterspiele 2014 gebaut worden waren, nun die meiste Zeit des Jahres leer stehen, besann sich der Präsident. Im Juni vergangenen Jahres ließ er das Parlament ein Gesetz abnicken, das das Glücksspiel in Sotschi und auf der annektierten Halbinsel erlaubt. Sergej Aksjonow, Chef der Krim-Regierung, erwartet Investitionen von 100 Millionen Dollar. Bisher ist aber noch nicht einmal klar, wo die Roulette-Tische aufgestellt werden sollen. Sewastopol, der Stützpunkt der Schwarzmeerflotte, ist jedenfalls tabu.

Man kann nicht behaupten, dass die Glücksspiel-Nachfrage bisher größer als das Angebot ist. Von den im Jahr 2009 geplanten Sonderzonen geht es bisher nur in einer richtig rund: in Asow City am Asowschen Meer, also gar nicht weit von der Krim, auf russischem Festland. Die ersten zwei Casinos sind dort seit 2010 in Betrieb. Die restlichen Zonen haben das Problem, dass sie schwer zu erreichen sind. In der Sonderzone "Sibirische Münze" im Altai-Gebiet hat im November das erste Casino eröffnet, mit 16 Spieltischen und 20 Automaten. Ob man dafür den Weg nach Sibirien antritt, ist fraglich. In der Zone "Jantarnaja" (Bernstein) in der Exklave Kaliningrad wird noch gebaut.

Dostojewski jedenfalls kannte sich mit der Spielsucht aus. Schließlich hat er sich selbst ruiniert an den Roulette-Tischen in Wiesbaden. Dazwischen hat er Jahrhundertromane in vierwöchigen Gewaltmärschen durchgeschrieben, um seine Schulden bezahlen zu können. Nicht nur die russische Kultur, sondern auch die Weltliteratur hat der Spielsucht also viel zu verdanken.

© SZ vom 18.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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