Russland:"Captain, wir fallen"

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Ein Taucher mit einem Trümmerteil der abgestürzten Tupolew Tu-154. (Foto: Viktor Klyushin/AP)

Russland wertet den Flugschreiber der Unglücksmaschine Tu-154 aus: Offenbar führte ein technischer Defekt zum Absturz.

Von Julian Hans, Moskau

Die Auswertung eines Flugschreibers hat am Mittwoch den Verdacht erhärtet, dass ein technischer Defekt oder ein Pilotenfehler die russische Tu-154 am Sonntagmorgen nahe Sotschi zum Absturz gebracht hat. Einen Terroranschlag hatten die Ermittler von Anfang an als wenig wahrscheinlich eingestuft.

Russische Medien zitierten am Mittwoch aus dem Dialog, den das Gerät in den letzten Minuten im Cockpit aufgezeichnet haben soll. Unterbrochen von panischen Flüchen rufen die Piloten: "Die Flügelklappen!", und: "der Höhenmesser!" Die letzten Worte lauteten laut einer Boulevard-Website: "Captain, wir fallen." Eine offizielle Bestätigung für die Echtheit der Zitate gab es zunächst nicht.

Die Bergungsarbeiten der Tupolew dauerten auch am dritten Tag nach dem Unglück an. Am Mittwoch konnte die zweite Blackbox an Land gebracht werden, teilte das Verteidigungsministerium mit. Die Geräte würden in einem Moskauer Militärinstitut ausgewertet. An Bord eines Flugzeugs befinden sich zwei Aufzeichnungsgeräte: der Flugdatenschreiber, der die technischen Daten registriert, sowie der Stimmenrekorder, der Geräusche und Gespräche im Cockpit aufzeichnet.

Bis Mittwochmittag wurden russischen Agenturen zufolge 15 Leichen und 239 Leichenteile gefunden, sie sollen in Moskau identifiziert werden. Es gibt keine Hoffnung, dass jemand das Unglück überlebt haben könnte. Knapp 600 von mehr als 1500 unter Wasser entdeckten Trümmerteilen konnten gehoben werden.

Die Passagiermaschine des Militärs war am Sonntag auf dem Flug nach Syrien kurz nach dem Start ins Schwarze Meer gestürzt. Alle 92 Passagiere kamen ums Leben, darunter 64 Sänger und Musiker des weltbekannten Alexandrow-Militärmusik-Ensembles. Sie sollten auf dem Luftwaffenstützpunkt in der Provinz Latakia auftreten. Nach dem Absturz war eine Bergungsaktion mit mehr als 3500 Einsatzkräften angelaufen. Laut dem Inlandsgeheimdienst FSB spricht bislang nichts für einen Anschlag. An geborgenen Leichen und Trümmern seien keine Sprengstoff-Spuren gefunden worden. Die Ermittlungen konzentrierten sich auf vier Möglichkeiten: ein Pilotenfehler, ein technischer Defekt, schlechter Treibstoff oder Vögel, die ins Triebwerk gerieten.

© SZ vom 29.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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