Rheinland-Pfalz:Die Trendwenderin

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Bemüht um einen neuen Ton: Julia Klöckner, 42, am Samstag auf dem Parteitag der rheinland-pfälzischen CDU in Frankenthal. (Foto: Uwe Anspach/dpa)

Die CDU ist in den Ländern ausgedünnt, in Rheinland-Pfalz aber darf sie hoffen: Spitzenkandidatin Julia Klöckner hat dort gute Chancen, bald die SPD zu verdrängen - und sich selbst für Höheres zu empfehlen.

Von Susanne Höll, Frankenthal

Sage keiner, diese Frau arbeite nicht an ihren Schwächen. Fast eine Stunde lang steht Julia Klöckner schon auf der Bühne im Kongress-Zentrum des pfälzischen Frankenthals. Den Saal kennt sie gut, hier wird jedes Jahr ausgiebig Karneval gefeiert, sechs Stunden dauert die Sitzung manchmal. Das war selbst der lebensfrohen Klöckner manchmal zu lang.

Auch am Samstag wird, wenn man so will, gefeiert. Gastgeber sind die heimischen Christdemokraten, die ein halbes Jahr vor der Landtagswahl ihre Chefin hochleben lassen wollen. Nach 25 trüben Jahren steht die CDU prima da, lässt die SPD in den Meinungsumfragen hinter sich, ein Sieg scheint in Reichweite zu sein. Zurück an die Macht nach einem Vierteljahrhundert, es der SPD heimzahlen, die das tiefschwarze Rheinland-Pfalz in eine rote Bastion verwandelte. Die Leute im Saal, man spürt es, möchten es jetzt krachen lassen.

Wenn die Kandidatin fordert, Burkas zu verbieten, klatscht sich das Parteivolk die Hände heiß

Und was macht Klöckner, die Frau mit dem forschen Mundwerk, die manchmal schneller redet als sie selbst und andere denken können? Sie lässt es nicht krachen, beschränkt ihre Kritik an der rot-grünen Landesregierung auf vergleichsweise milde Rügen ("Den Sozialdemokraten geht Eigenwohl vor Gemeinwohl") und hält stattdessen ihren eigenen Leuten einen ziemlich ernsthaften und nachdenklichen Vortrag über Politik in Zeiten der Völkerwanderung. Sie erklärt, warum Deutschland Hunderttausende Flüchtlinge aufnimmt, verteidigt den Kurs von Kanzlerin Angela Merkel, beschreibt die Herausforderungen, die eine einigermaßen vernünftige Integration in den nächsten Jahrzehnten an Politik und Gesellschaft stellen.

Und natürlich redet sie auch über die Grenzen der Aufnahmefähigkeit, auch die rheinischen und pfälzischen Christdemokraten sorgen sich, ob das wirklich zu schaffen ist mit den vielen Schutzsuchenden. Keine Ehrenmorde, keine Parallelgesellschaften, Ausweisung, wenn der Asylantrag abgelehnt wird. Das gefällt den Leuten im Saal. Und wenn Klöckner dann zum hundertsten Mal auf ihrer eigentümlichen Forderung beharrt, in Deutschland die Burka zu verbieten, klatscht sich der Saal die Hände heiß. Manchen Versuchungen kann Klöckner eben doch nicht widerstehen.

Die 42-Jährige ist ambitioniert, äußerst ambitioniert. Ihr Vorgänger im Landesparteivorsitz und aktueller Stellvertreter in der Fraktionsführung, Christian Baldauf, dankt Klöckner vom Podium aus für ihren "Ehrgeiz". Womöglich meinte er ihre wirbelige Einsatzbereitschaft. Aber andererseits kennt Baldauf seine Chefin nur zu gut. Im Text ihrer Parteitagsrede steht sieben Mal der Satz "Was werde ich als Ministerpräsidentin tun?" Auf der Bühne zügelt sie sich demgegenüber. Nur fünf Mal kommen ihr diese Worte über die Lippen. Reicht auch. Klöckner hat die Fraktion und ihre Partei völlig auf ihre Person ausgerichtet. Sie hat die Bruderkämpfe in der Landes-CDU beendet und einigermaßen Ordnung in die von einer kostspieligen Betrugsaffäre belasteten Parteifinanzen gebracht. Vor nicht allzu langer Zeit trauten sich selbst Leute wie Baldauf nicht, ohne ihr aufforderndes Augenblinzeln das Wort zu ergreifen. Alles Julia an Mosel und Rhein.

Als Oppositionschefin probiert sie, die den einstigen Ministerpräsidenten Kurt Beck mit manchmal vorlauten Anwürfen aus der Rolle fallen ließ, mittlerweile eine neue Rolle aus - die der Staatsfrau. Die Attacken auf Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) und die Grünen überlässt sie ihren Leuten. Ist wohl auch besser so. Denn Dreyer ist, SPD hin oder her, im Land beliebt. Und mit der Öko-Partei wird Klöckner womöglich sogar regieren müssen, wenn es für Rot-Grün nicht reicht und sich der Wunsch nach einer schwarz-gelben Koalition nicht erfüllen sollte. Die FDP sitzt nicht im Landtag, hat aber Chancen auf Wiedereinzug. Auf Unterstützung der Christdemokraten können die Liberalen nicht zählen, auf eine Leihstimmenkampagne der CDU schon gar nicht. "Wir haben nichts zu verschenken", sagen Christdemokraten in Frankenthal.

Gelingt im März 2016 der Wechsel in Mainz, wird sie Aspirantin auch auf die Merkel-Nachfolge

Wenn sich Klöckners Ehrgeiz und Einsatz bezahlt macht, die CDU im März 2016 stärkste Partei wird und sie auch noch einen Regierungspartner findet, wird die Winzertochter zum Star der einst so properen, inzwischen aber ausgedörrten Reihe der CDU-Ministerpräsidenten. Und wird, jede Wette, sofort als neue Aspirantin auf die Nachfolge Merkels im Kanzleramt gehandelt.

Doch da sind die vielen Wenns. Die Umfragen waren zuletzt schmeichelhaft für die Christdemokraten; der Wahlausgang ist aber völlig unkalkulierbar, der Flüchtlingskrise wegen. Wie die sich auswirkt, vermag keiner zu sagen. Ein alter Fahrensmann, der 1996 als CDU-Spitzenmann genügend Stimmen holte, um mit der FDP zu regieren, die aber ihrerseits der SPD den Vorzug gab, warnt in Frankenthal vor Machtbesoffenheit. Zwar müsse es mit dem Teufel zugehen, sagt Ex-Parteichef Johannes Gerster, wenn der Wechsel nicht gelinge. Aber ohne höchsten Einsatz gehe nichts: "Wahlkampf ist Kampf, der an die Knochen geht." Klöckner sitzt auf dem Podium. Sie nickt.

© SZ vom 21.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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