Reise:Sansibar für 29 Euro

Lesezeit: 2 min

Busunternehmen bieten Spartrips nach Sylt an: Wer knapp unter 30 Euro aufbringt und von München aus gut 16 Stunden Fahrzeit durchhält, kann zum Billigpreis auf die teure Insel fahren.

Von Peter Burghardt

Setzt man sich in München in ein Fahrzeug und fährt ungefähr 1000 Kilometer weit, dann ließe man Richtung Süden zum Beispiel Rom hinter sich. Oder man würde weiter westlich Montpellier erreichen oder weiter östlich Sarajevo. Von der Wochenmitte an bietet das Unternehmen Flixbus eine ähnlich ausgedehnte Alternative auf dem Weg nach Norden: Die Premiere startet diesen Mittwoch um 21.45 Uhr in der bayerischen Landeshauptstadt und erreicht gut 16 Stunden später gegen 14 Uhr das Seebad List auf Sylt im Kreis Nordfriesland, Schleswig-Holstein.

Wer List nicht kennen sollte, dem sei versichert, dass es die nördlichste Siedlung der Republik ist, ja sogar des gesamten deutschen Sprachraums und die obere Spitze der prominentesten Bundesinsel. Sie liegt unterhalb einer Landzunge namens Ellenbogen zwei Meter über dem steigenden Meeresspiegel, erheblich tiefer als München. Erstaunlich an dieser neuesten Verbindung aber ist vor allem, dass sich nun Linienbusse auf diese Reise machen. Das Ticket kostet aus Bayern zwischen 29 und 79,50 Euro, also nicht mehr als ein ganz billiger Billigflug nach Spanien oder Griechenland.

Wochenendausflüge aus den Voralpen an diese Strände und Dünen der Nordsee sind in der Regel teurer, Sylt ist tendenziell exklusiv und abgelegen. Zu Sylt gehören die Sansibar, ein nördlicher Gegenpol des Münchner Schumann's, und Kampen, eine der teuersten Gemeinden Deutschlands und jetzt Etappenziel von Flixbus. Bis vor Kurzem habe er selbst nicht gedacht, "dass Sylt für Fernbusse interessant sein könnte", sagt Moritz Luft, Geschäftsführer der Sylt Marketing GmbH. Brechen nun die Dämme, fallen bald die Massen ein wie einst bei den Butterfahrten nach Helgoland oder am Ballermann auf Mallorca?

Das wohl kaum, so viele Menschen passen in die Busse ja auch wieder nicht hinein. Der PR-Mann Luft begrüßt sie als Beitrag zur Erreichbarkeit des Eilands. Sylt ist 38 Kilometer lang, 12,6 Kilometer breit, wird jedes Jahr von mehr als 850 000 Gästen besucht und zählt während der Saison 12 000 Strandkörbe. Die Zahl der Touristen ging zuletzt wieder hoch, die Dauer der Aufenthalte indes ist auf durchschnittlich 7,5 Tage gesunken. 2014 waren es 3,2 Millionen Übernachtungen. Daraus folgt, dass es mehr Bewegung gibt, was wiederum ein geografisches Thema ist. Man kann zwar nach Westerland fliegen, wobei die Starts und Landungen weniger werden (155 000 Passagiere 2015) und Anwohner wegen des Fluglärms vor Gericht klagen. Man kann mit dem Zug fahren, im Auto, neuerdings im Discount-Bus. Doch es geht, außer mit dem Schiff und dem Flugzeug, stets über die Gleise auf dem Hindenburgdamm.

Am 1. April verkündete der NDR sehr ernst, dass die Bahnstrecke nach Sylt abgebaut und durch eine zweispurige Straße ersetzt werde. Mancher mochte es glauben, war aber ein Scherz. In Wahrheit bleiben die Schienen zwischen Niebüll auf dem Festland und Morsum auf Sylt der romantische bis nervige Engpass. Verzögerungen sind häufig. Das Chaos scheint noch größer zu werden, seit die US-Firma RDC neben der Deutschen Bahn ins Geschäft drängt. Auf einen Zugshuttle muss drauf, wer auf dem Landweg kommt - auch der Flixbus.

© SZ vom 03.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: