Regierungserklärung zum G-8-Gipfel:Müde Merkel

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Beim G-8-Gipfel 2007 in Heiligendamm, da war die Kanzlerin noch Feuer und Flamme. Großes hatte Angela Merkel vorgehabt, das Klima wollte sie retten, ach, die ganze Welt. Vier Jahre später und wenige Stunden vor Beginn des G-8-Gipfels im französischen Seebad Deauville scheint ihr Engagement verpufft zu sein. Obwohl die Weltlage heute nicht weniger spannend ist, mäandert Merkel so durch Allgemeinplätze, dass die Opposition um das Ansehen Deutschlands in der Welt fürchtet.

Thorsten Denkler, Berlin

Umbruch in der arabischen Welt, Euro- und Weltfinanz-Krise, Energiewende. Themen gäbe es genug, bei denen sich die angeblich mächtigste Frau der Welt mit viel Verve einmischen könnte. Doch wenige Stunden vor dem G-8-Gipfel in Frankreich hält Bundeskanzlerin Angela Merkel im Deutschen Bundestag eine 25-minütige Regierungserklärung, die vor allem fade, ermüdend und uninspiriert ist.

Müde Merkel: Kanzlerin Angela Merkel bei ihrer Regierungserklärung zum G-8-Gifpel im Deutschen Bundestag. (Foto: dapd)

Wie bei einem schlecht vorbereiteten Jour Fix, hakt sie ein Thema nach dem anderen ab. Arabischer Frühling, Naher Osten, Zukunft der Atomenergie, das Internet und die Weltwirtschaft, Doha-Runde für freie Weltmärkte. Statt aber jeweils mit eigenen Vorstellungen eine unverkennbar deutsche Position zu beschreiben, begnügt sie sich mit Allgemeinplätzen.

Zum arabischen Frühling sagt sie etwa: "Wir müssen dazu beitragen, dass die ersten politischen Fortschritte nicht durch wirtschaftliche Instabilität gefährdet werden". Es gebe eine "historische Verpflichtung" Europas, den Ländern im Umbruch zur Seite zu stehen.

Immerhin, so konkret wird sie dann doch: Deutschland will Ägypten helfen, 5000 neue Arbeitsplätze und 10.000 Ausbildungsplätze für Jugendliche zu schaffen. Finanziert werden soll das durch eine Schuldenwandlung. Ägypten sollen über vier Jahre gestreckt zusammen 300 Millionen Euro Schulden erlassen werden und im Gegenzug verpflichtet werden, das Beschäftigungsprogramm zu finanzieren.

Dennoch: Nach einer echten Kraftanstrengung des wirtschaftsstärksten Landes der Europäischen Union sieht das angesichts einer offiziellen Arbeitslosenquote von knapp unter zehn Prozent in Ägypten nicht gerade aus.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hält das alles in seiner Antwort für "Außenpolitik in Lethargie, die sie hier vorgetragen haben". Niemand habe Merkel "gezwungen" diese Regierungserklärung abzugeben. Aber wenn sie es schon tue, dann hätte er mehr erwartet, als diesen "leidenschaftslosen Rechenschaftsbericht".

Vielleicht liegt es daran, dass Merkel zusehends an Anerkennung und Einfluss auf dem internationalen Parkett verliert. Längst haben Frankreich und Großbritannien die Führung übernommen. Mit der Enthaltung im UN-Sicherheitsrat haben Merkel und ihr Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sämtliche Bündnispartner vor den Kopf gestoßen. In der Euro-Krise gilt Deutschland als Bremser, nicht als Gestalter.

Steinmeiers Urteil ist klar an diesem Morgen: Deutschland sei aus der Position einer "anerkannten und respektierten Führungsnation in Europa an die europäische Peripherie geraten." Die Vorbereitung auf den Gipfel in Deauville zeige, Deutschland habe "nichts in der Hand aber alle gegen sich".

Wirklich widersprechen konnten da nicht mal die Redner der Regierungskoalition. Der neue FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle wirft Steinmeier lediglich vor, selbst ja auch keine Ideen präsentiert zu haben. "Ihre größte außenpolitische Anstrengung derzeit scheint zu sein, Ihren Konkurrenten als Kanzlerkandidaten, Steinbrück, wegzuloben." Ansonsten verweist Brüderle auf den deutschen Aufschwung, der von aller Welt beneidet werde.

Wie wenig wichtig der Koalition der Gipfel ist, beweist ebenso eindrücklich Unionsfraktionschef Volker Kauder. Die Repressalien gegen koptische Christen in Ägypten sind sicher schlimm. Kauder aber verwendet fast seine ganze Redezeit darauf, dass diese religiöse Minderheit geschützt werden müsse. Kaum ein Wort zu den originären Gipfel-Themen.

Erst sein Fraktionskollege Ruprecht Polenz, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, schafft es mit einem klugen Beitrag, etwas mehr Substanz in die Auseinandersetzung zu bringen. Er beschreibt, dass in Ägypten noch immer der Ausnahmezustand herrsche und wie das Regime den Parteienbildungsprozess mit unsinnigen Regeln torpediere. Daraus leitet er ab, wie wichtig die Unterstützung der Demokratisierungsprozesse im arabischen Raum ist. Brüderle hatte noch argumentiert, die Menschen dort bräuchten vor allem Arbeit, sonst drohe Europa eine "ungesteuerte Migration".

Einig waren sich die meisten Redner wenigstens darin, dass es für den arabischen Raum so etwas wie einen Marschall-Plan geben müsse, der schon Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg wieder auf die Beine geholfen hat. Nur: Wie so ein Plan aussehen könnte, dazu fiel niemandem etwas Gescheites ein. Vom Vorschlag des Schuldenerlasses mal abgesehen.

Die Erwartungen an den G-8-Gipfel können offenbar gar nicht weit genug heruntergeschraubt werden. Vielleicht reicht es ja inzwischen auch, wenn sich die Vertreter der führenden Wirtschaftsnationen überhaupt zusammensetzen und miteinander reden. Das kann zumindest nicht verkehrt sein.

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