Regierungsbündnisse:Von Rechtsallianz bis Dirndl-Koalition

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Schwarz-Blau in Wien ist naheliegend, doch die FPÖ hat schlechte Erfahrungen damit gemacht: Welche Mehrheiten voraussichtlich möglich sind - und welche wahrscheinlich.

Von Peter Münch

Vor der Wahl kämpft jeder für sich und zwar mit harten Bandagen. Nach der Wahl aber muss sofort der Modus gewechselt werden: Es geht um Partnersuche und damit um Gemeinsamkeiten. Festlegungen haben alle Parteien vermieden, weil dies nur die Handlungsfreiheit einschränken würde. Viele Koalitions-Optionen werden daher debattiert, und Überraschungen sind in Österreich nie ausgeschlossen.

Schwarz-Blau: Als besonders naheliegende Option gilt eine Koalition aus ÖVP und FPÖ. Dies würde den Rechtsruck festschreiben, der schon im Wahlkampf zu beobachten war. Denn die Volkspartei von Sebastian Kurz, die streng genommen nicht mehr im alten Schwarz, sondern in Türkis daherkommt, hat von der FPÖ kurzerhand das dominierende Thema übernommen: die Abwehr von Migranten. Übereinstimmungen gibt es zudem in Wirtschaftsfragen. Eine solche Koalition gab es schon einmal in den Jahren 2000 bis 2006. Damals wurde sie von den EU-Partnern mit Sanktionen belegt. Dies ist heute nicht mehr zu erwarten. Abschreckender dürfte für die FPÖ ohnehin sein, dass sie aus dem damaligen Bündnis nur mit schweren Stimmenverlusten herauskam.

Rot-Blau: Eingedenk dieser Erfahrung könnte für die FPÖ ein Bündnis mit den Sozialdemokraten attraktiver erscheinen. Die größeren Differenzen zur SPÖ bedeuten, dass es bessere Profilierungsmöglichkeiten gibt. Das Problem läge vor allem bei der SPÖ, der eine Zerreißprobe drohen würde. Der linke Flügel lehnt ein Bündnis mit den Rechtspopulisten ab, während die SPÖ im Burgenland bereits seit 2015 mit der FPÖ eine Koalitionsregierung bildet. Kanzler Christian Kern wollte sich zu Beginn seiner Amtszeit sogar mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache auf ein Bier treffen. Dazu ist es nicht gekommen. Am Ende des Wahlkampfs bilanzierte Kern, "dass uns Welten trennen".

Große Koalition: In seiner 72-jährigen Nachkriegsgeschichte wurde Österreich 45 Jahre lang von einem Bündnis aus ÖVP und SPÖ regiert, auch in den vergangenen zehn Jahren. Dies hat zur Erosion der beiden großen Parteien und zum Erstarken der FPÖ geführt. Inhaltlich wirkt die große Koalition schon lange ausgelaugt. Zusammengenommen sind dies starke Argumente gegen eine Neuauflage - komplett ausschließen wollten dies aber im Wahlkampf weder die ÖVP noch die SPÖ. In der Politik, so fasste es Kanzler Kern zusammen, gehe es "nie um Liebesheiraten, sondern um Vernunftehen".

Dirndl-Koalition: Die deutschen Jamaika-Pläne haben auch in Österreich die Fantasien beflügelt. Als dirndlbunte Idee kam dabei ein schwarz-pink-grünes Bündnis aus ÖVP, Neos und Grünen auf. In Umfragen ist es allerdings nie in die Nähe einer absoluten Mehrheit gekommen.

Minderheitsregierung: Sebastian Kurz hat diese Variante ins Spiel gebracht; sie wurde anfangs allgemein als absurd verworfen, wird aber nun ernster diskutiert. Kurz kündigte an, als Wahlerster "möglichst viele Parteien zu finden, die bereit sind, mit uns Projekte umzusetzen". Vorbild könnte Österreichs bislang einzige Minderheitsregierung unter Bruno Kreisky von 1970 sein. Damals fehlten dem SPÖ-Kanzler nur zwei Sitze zur absoluten Mehrheit, er hatte die FPÖ als Reserve geködert. Kurz dagegen liefe bei solch einem Konstrukt Gefahr, immer wieder in Geiselhaft verschiedener Partner zu geraten.

© SZ vom 14.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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