Rechtspopulistische Initiative erfolgreich:Schweizer stimmen gegen Minarett-Bau

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Überraschende Entscheidung: Eine Mehrheit der Schweizer hat sich in einem Referendum gegen den Bau neuer Minarette ausgesprochen. Islamwissenschaftler bezeichnen das Votum als Katastrophe, die Regierung befürchtet Folgen für das Verhältnis zur arabischen Welt.

Mit einer überraschend hohen Mehrheit haben die Schweizer dafür gestimmt, den Bau von Minaretten zu verbieten. Die Initiative zweier rechtspopulistischer Parteien wurde laut dem Endergebnis des Referendums mit mehr als 57 Prozent der Ja-Stimmen angenommen. Die Wahlbeteiligung war mit 54 Prozent unerwartet hoch.

Das Foto zeigt Plakate der national-konservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP), die so für das Minarett-Verbot geworben hatte. Offenbar mit Erfolg, wie nun Hochrechnungen zeigen. (Foto: Foto: dpa)

Neben der Mehrheit der etwa fünf Millionen Stimmberechtigten votierte auch die erforderliche Mehrheit der 26 Kantone für das Verbot. Hinter der Initiative stehen die Schweizerische Volkspartei (SVP) und die Eidgenössisch-Demokratische Union (EDU), die ein Verbot zur Errichtung von Moscheen mit Gebetstürmen in der Schweizer Verfassung verankern wollen. Nur in vier Kantonen fand sich eine Mehrheit gegen das geplante Bauverbot für Minarette.

Damit ist der Weg geebnet für eine Änderung des Artikels 72 der Schweizer Verfassung, der das Verhältnis zwischen Religion und Staat regelt. Das Bauverbot für Minarette soll darin als "geeignete Maßnahme zur Wahrung des Friedens zwischen den Mitgliedern unterschiedlicher Glaubensgemeinschaften" festgeschrieben werden.

Beobachter bezeichneten das Votum für das Bauverbot als überraschend, weil Umfragen bis zuletzt eine Ablehnung der Initiative vorausgesagt hatten. Der Politikwissenschaftler Claude Longchamp nannte im Radiosender DRS in erster Linie die Entscheidung parteiunabhängiger Wähler als ausschlaggebend für den Ausgang des Referendums.

Der in Genf lebende Islamwissenschaftler Tariq Ramadan bezeichnete das Votum als "katastrophal". Auch der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, bedauert das Ergebnis der Schweizer Volksabstimmung. "Es zeigt sich, dass die europäischen Gesellschaften noch nicht ganz reif sind für die Zuwanderung und für die Einwanderung", sagte Kolat.

Die Schweizer Grünen kündigten indes an, eine Anrufung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs in Straßburg zu prüfen. Sie sehen durch das Votum die in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerte Religionsfreiheit verletzt.

Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf, bis zum Sommer 2008 selbst noch SVP-Mitglied, hatte gesagt, ein Minarett-Verbot stehe im Widerspruch zu den Menschenrechten und gefährde den religiösen Frieden.

Die Regierung in Bern hatte den Stimmberechtigten empfohlen, mit Nein zu votieren. Sie befürchtet, ein Minarett-Verbot werde "im Ausland auf Unverständnis stoßen und dem Ansehen der Schweiz schaden". Die Spitzen von Regierung, Christentum, Judentum und Muslimen in der Schweiz sowie Menschenrechtsorganisationen werten den Gesetzesvorstoß als "diskriminierend, ausgrenzend und willkürlich".

Die Initatoren argumentierten hingegen, die Türme an muslimischen Gebetshäusern seien nicht durch das Prinzip der Religionsfreiheit geschützt. Minarette seien Symbole eines bedrohlichen politisch-religiösen Machtanspruchs und zur Ausübung des islamischen Glaubens nicht notwendig.

© sueddeutsche.de/dpa/AFP/AP/afis/dmo/abis - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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