Ratifizierung:Nachbessern bis zuletzt

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Gewerkschaften fordern Korrekturen, die Vertragspartner bemühen sich um Klarstellungen - und dann sind da noch die Parlamente in der EU. Auch wenn Karlsruhe Ceta nicht stoppt, dürfte es noch fünf Jahre dauern, ehe der Vertrag voll greift.

Von Michael Bauchmüller

Wenn alles wie am Schnürchen läuft, dann könnte es Ende 2021 so weit sein. Die übernächste Bundesregierung ist schon im Amt, der Brexit längst vollzogen - und das Freihandelsabkommen der EU mit Kanada träte formal und komplett endlich in Kraft. An die fünf Jahre, so schätzt auch das Bundeswirtschaftsministerium, dürfte eine Ratifizierung in allen EU-Staaten dauern. Wenn es gut läuft.

Denn vorher gibt es noch jede Menge zu klären, schon in den nächsten Tagen und Wochen. Sollten die Richter in Karlsruhe den Europäern keinen Strich durch die Rechnung machen, dann entscheiden kommende Woche die Handelsminister der EU über den weiteren Weg des Abkommens. Zu den Beschlussvorschlägen, über die sie beraten müssen, zählen nicht nur das Ja oder Nein zu Ceta, sondern auch die Feinheiten seiner Anwendung. Zwar ist schon jetzt klar, dass Teile des Abkommens in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, weshalb diese ja einzeln ratifizieren müssen. Aber lässt sich der Rest trotzdem vorher anwenden? Dürfen also zum Beispiel die Zölle zwischen der EU und Kanada gesenkt werden, obwohl die Frage des Investorenschutzes noch von den EU-Ländern gebilligt werden muss? Der Unterschied: Während die Zölle vollständig in der Kompetenz Brüssels liegen, tangiert der Investorenschutz - samt den umstrittenen Schiedsgerichten - die Mitgliedstaaten direkt.

Doch schon an dieser Frage entzündet sich Streit. Ceta-Kritiker befürchten mit der sogenannten vorläufigen Anwendung einzelner Teile eine Art Ceta durch die Hintertür. Trotz aller Vorbehalte gegen das Abkommen würden so Fakten geschaffen. In Österreich befragte die Regierungspartei SPÖ dazu ihre Mitglieder. Ergebnis: 88 Prozent stimmten gegen die vorläufige Anwendung. "Die nationale Souveränität muss gewahrt bleiben, demokratische Legitimation ist zwingend", schrieb Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) kürzlich in einem Gastbeitrag. "Genau das ist der Rubikon."

Der DGB formuliert bereits neue Anforderungen an Ceta

Um der Angst zu begegnen, basteln die EU und Kanada derzeit an einer "interpretierenden Erklärung". Sie Klarheit schaffen, wo die Formulierungen des Vertrags bisher schwammig sind. Erste Entwürfe sind publik, sie widmen sich insbesondere dem Investorenschutz in aller Ausführlichkeit. Doch immer noch wird hier an einzelnen Sätzen gefeilt, Gespräche laufen. Derweil formulierte hierzulande der Deutsche Gewerkschaftsbund neue Anforderungen an den Vertrag, die er ebenfalls gerne in der "interpretierenden Erklärung" wiederfinden möchte. So wächst die Aufgabe weiter. "Der Druck ist riesengroß", sagt DGB-Chef Reiner Hoffmann. Es zeichneten sich inzwischen aber durchaus Fortschritte ab.

Soll das alles wirksam werden, müssen Kanada, die EU und alle Mitgliedstaaten noch unterzeichnen - sowohl das eigentliche Abkommen als auch die Zusatzerklärung. Geplant ist diese Unterzeichnung für den 27. Oktober. Dann kommen die EU und Kanada zu einem Gipfeltreffen zusammen, feierlich soll die schwere Geburt dort vollendet werden. Aber halt: Beschlossen ist auch dann noch nichts. Sowohl das europäische als auch das kanadische Parlament müssen das Abkommen ratifizieren, damit zumindest Teile "vorläufige Anwendung" finden. Jedenfalls, sofern sich die EU zu einer solchen bereitfindet. Und das alles natürlich nur, wenn Karlsruhe kein Veto einlegt.

© SZ vom 12.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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