Proteste in Ägypten:Mursi will Gegner einbinden

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Ägyptens Präsident Mursi kündigt Reformen an (Archivbild). (Foto: dpa)

Nach fast einem Jahr an der Macht zieht der ägyptische Präsident Mursi Bilanz. Er räumt Fehler ein und kündigt Reformen in der islamistisch geprägten Verfassung an. Schon kurz vor seinem Amtsjubiläum kommt es zu gewaltsamen Zusammenstößen: Mursis Gegner fordern Neuwahlen, seine Unterstützer stärken dem Präsidenten mit Demonstrationen den Rücken.

Wenige Tage vor seinem einjährigen Amtsjubiläum hat Ägyptens Präsident Mohammed Mursi Änderungen an der umstrittenen Verfassung in Aussicht gestellt. Dazu solle ein All-Parteien-Ausschuss gebildet werden, sagte Mursi am Mittwoch in einer im Fernsehen übertragenen Rede.

Bereits am heutigen Donnerstag könne der Vorsitzende dieser Kommission bestimmt werden. Die islamistisch geprägte Verfassung war Ende vergangenen Jahres per Volksabstimmung in Kraft gesetzt worden und wird bis heute vielfach kritisiert. Mursi räumte in der Ansprache zugleich Fehler ein und deutete an, künftig mit Gegnern zusammenarbeiten zu wollen. Er schlug den Aufbau eines Forums vor, um eine "nationale Versöhnung" zu erzielen.

Die Schwierigkeiten seines ersten Amtsjahres führte er auf den anhaltenden Einfluss von Personen zurück, die noch von Husni Mubarak vor dessen Sturz 2011 Ämter inne hatten. Diese "Feinde Ägyptens" unterwanderten die Demokratie des Landes. Sie hätten keine Mühen gescheut, die Entwicklung zu sabotieren, sagte Mursi.

Mursi kündigt Entlassungen von Beamten an

Der Präsident sprach sich deshalb dafür aus, dass die Minister und Gouverneure "alle Beamten entlassen, die für die Krisen verantwortlich sind, unter denen die Bürger leiden müssen". Jeder Gouverneur solle zudem mindestens einen Berater ernennen, der jünger als 40 Jahre alt ist. Ein weiteres Komitee neben dem für die "nationale Versöhnung" solle sich mit der Kritik der Opposition an der von den regierenden Islamisten beschlossenen Verfassung befassen.

Das Innenministerium soll außerdem eine Spezialeinheit schaffen, die sich nur mit der Bekämpfung von Schlägertrupps und Saboteuren befasst. Um die Benzinkrise zu beenden, soll Tankstellenbesitzern, die subventioniertes Benzin zurückhalten oder schwarz verkaufen, die Lizenz entzogen werden. "Die politische Polarisierung hat ein Stadium erreicht, das unsere sich entwickelnde Demokratie gefährdet und droht, das Land zu lähmen und ins Chaos zu stürzen", sagte Mursi weiter. Einige Ziele seien erreicht worden, andere nicht: "Ich habe eine Reihe von Fehlern in verschiedenen Bereichen gemacht."

Geplante Massenkundgebungen

Ägypten ist tief gespalten zwischen Mursis Anhängern und seinen Gegnern. Wenige Stunden vor der Rede hatten in der Stadt Mansura im Nildelta Unterstützer des Staatschefs für ihn demonstriert. Nach Angaben der Sicherheitskräfte kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen, als Kritiker des Präsidenten die Demonstranten mit Müll bewarfen. Hunderte Männer hätten mit Steinen geworfen; Augenzeugen zufolge waren Schüsse zu hören. Bei den Unruhen wurde nach Angaben des Gesundheitsministeriums mindestens ein Mensch getötet, weitere 237 wurden verletzt. Auch in der benachbarten Stadt Tanta kam es offenbar zu Auseinandersetzungen, allerdings weniger heftig.

Am Sonntag jährt sich Mursis Amtsübernahme zum ersten Mal. Seine Gegner planen für den Tag Massenkundgebungen, bei denen sie Mursis Rücktritt und vorgezogene Präsidentschaftswahlen fordern wollen. Mursis Anhänger wiederum planen Kundgebungen zu seiner Unterstützung am Freitag.

Mursis Kritiker werfen dem Präsidenten insbesondere vor, eine Islamisierung der ägyptischen Gesellschaft voranzutreiben. Die Organisatoren einer Kampagne namens Tamarod (arabisch für Rebellion) sammelten nach eigenen Angaben bereits mehr als 15 Millionen Unterschriften für eine vorgezogene Präsidentschaftswahl. Die Armee drohte in den vergangenen Tagen damit einzugreifen, sollte die Gewalt zwischen Anhängern und Gegnern der islamistischen Regierung weiter eskalieren.

© Süddeutsche.de/dpa/AFP/Reuters/ratz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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