Propaganda:Die Stunde der Trolle

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Nach dem Schulattentat von Florida waren auffällig viele Internet-Provokateure mit Verbindungen nach Russland im Netz aktiv.

Von Jannis Brühl, Reymer Klüver

Wenn sie eines wissen, dann ist es das: Jeder Anschlag, jede Schießerei, jedes Unglück, einfach alles, was irgendwie Angst und Schrecken verbreitet, ist ihre Gelegenheit. Dann werden die Trolle aktiv, und die Bots legen los und schicken massenhaft Twitter-Meldungen ab, sie posten Videos auf Youtube oder gründen Facebook-Gruppen, die Falschmeldungen verbreiten und Stimmungsmache betreiben. So war es wohl auch nach dem Schulmassaker in Florida, als ein junger Attentäter am Valentinstag 17 seiner ehemaligen Mitschüler erschoss. Diese Trolle genannten Internet-Provokateure haben meist eines gemeinsam: Sie sitzen in Russland oder haben zumindest Verbindungen dorthin.

Nach Erkenntnissen amerikanischer Monitorgruppen, die das Internet auf politische Propaganda hin untersuchen, schoss nach der Bluttat die Zahl der Tweets in die Höhe, die von Twitter-Konten mit Beziehungen zur russischen Regierungspropaganda verbreitet wurden. "Dass sie sich mit Schießereien wie der in Parkland beschäftigen, hat aber nichts mit Ideologie zu tun", sagt der Datenforscher Christo Grozew dem US-Sender CNN. Die Trolle und Bots heizen gezielt Streit um "polarisierende Themen" an. Dazu zählt in den USA zweifellos die Debatte über den Waffenbesitz und die immer wieder kehrenden Massenschießereien.

Die Recherchen der antirussischen Monitor-Gruppen sind nicht ganz unumstritten

Die US-Monitorgruppe botcheck.me ermittelte, dass in den Tagen nach dem Massaker nahezu alle der von den einschlägigen Propaganda-Bots auf Twitter verbreiteten Hashtags mit der Schießerei zu tun hatten. Hamilton 68, eine Monitorgruppe, die vom German Marshall Fund, einem liberalen Think Tank, unterstützt wird, stellte einen enormen Anstieg von Tweets mit Stichwörtern wie "Waffenkontrolle" oder "Waffenreformgesetz jetzt" fest, bei manchen eine Zunahme bis zu 4000 Prozent und mehr. So, sagt Ash Bat, Gründer von botcheck.me, dem Internetmagazin wired, versuchten sie, die Kontrolle über die Debatte im Internet zu erlangen.

Nach Recherchen von Hamilton 68 lenkten die Trolle die Aufmerksamkeit gezielt auf den Umstand, dass der mutmaßliche Mörder ein sogenannter einsamer Wolf mit psychischen Problemen gewesen sei. Ein Argument, das die amerikanische Waffenlobby stets verwendet, wenn es nach derartigen Massenmorden darum geht, eine Verschärfung der Waffengesetze abzuwehren. Die Bots wollten nur "Ärger und Zorn" der Menschen erhöhen, zitiert die New York Times die Medienwissenschaftlerin Karen North von der renommierten Annenberg Foundation in Los Angeles. Es gehe ihnen eben nicht darum, Kompromisse bei den die US-Gesellschaft polarisierenden Themen anzubieten.

Die Analysen der Monitor-Gruppen sind indes nicht unumstritten. Hamilton 68 wird vorgeworfen, dass es echte Menschen, die prorussische Meinungen äußern, mit automatisierten Bots in einen Topf werfe. Welche Twitter-Konten sie konkret der russischen Regierung zurechnen, hielten die Macher zudem geheim. Das mache ihre Auswertung weniger aussagekräftig als etwa die von Facebook und von US-Sonderermittler Robert Mueller, die für bestimmte Konten Verbindungen zur kremlnahen Internet Research Agency nachgewiesen haben, der berüchtigten "Trollfabrik".

© SZ vom 21.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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