Professionelle Rednervermittlung:Versilberte Reden

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SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück brachte Politiker-Reden ins Gespräch. (Foto: dpa)

Peer Steinbrück ist keine Ausnahme: Spezialagenturen vermitteln weltweit Politiker und Prominente für Vorträge. Auf ihren Webseiten kann sich der Kunde die Redner nach Thema oder Preis vorsortieren - und stößt auf eine ganze Reihe deutscher Politiker.

Von Karoline Meta Beisel

Sabine Christiansen ist "extrem objektiv". Wenn sie ein Interview führt, ist sie "gut vorbereitet und relaxed" und zeigt ein "außergewöhnliches Händchen für das richtige Timing". Zuhörer schätzen den ehemaligen polnischen Staatspräsidenten Lech Walesa für seine "elektrisierende Persönlichkeit" und "beeindruckende Geschichte". Und im Leben des Ulrich Wickert gibt es noch "zu viele nicht erzählte Anekdoten".

Redneragenturen preisen ihre Ware an wie Wintermode im Schlussverkauf. Der Markt ist gut besetzt, im Netz findet man Dutzende Agenturen. Allein die nach eigenen Angaben weltweit führende Agentur "Celebrity Speakers" aus Großbritannien, die auch Christiansen, Walesa und Wickert vermittelt, listet auf ihrer Internetseite mehr als 900 Redner. Das Webangebot erinnert an den Online-Versandhandel.

Per Suchfunktion kann man die Redner nach Thema (Wirtschaft, Klimawandel, Politik) oder Preis sortieren. In der teuersten Kategorie "über 20.000 Pfund" sind gleich mehrere Deutsche gelistet, Hans-Dietrich Genscher zum Beispiel oder Joschka Fischer. Man findet deren Biografien, Themenvorschläge für den Vortrag und Referenzen früherer Kunden. Von manchen Rednern gibt es auch Videos. Der Schachspieler Garry Kasparow redet über Intuition, Raumfahrer Buzz Aldrin über den Mond. Am Rand erscheinen "ähnliche Videos", wie bei dem Videoportal Youtube. Nur in den Warenkorb legen kann man die Redner hier nicht.

Ein ganz normales Geschäft

Ganz so professionalisiert ist das Geschäft mit den Worten in Deutschland noch nicht. Aber es gibt sie natürlich auch hier, Agenturen, die dabei helfen, Redner und Veranstalter zusammenzubringen. Manche arbeiten selbstständig, andere sind an einen Verlag oder eine internationale Vermittlung angeschlossen. Viele bieten Redner und Experten aller Art an, andere nur weibliche Referenten oder nur Moderatoren. Einige organisieren auf Bestellung gleich die ganze Veranstaltung. Auch Celebrity Speakers hat in Deutschland eine Niederlassung, aber dieser Tage ist dort nichts zu erfahren, man wolle sich an der aktuellen Diskussion nicht beteiligen. Nach der Debatte um die Vortragshonorare von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hält man sich bedeckt: In der Branche, die mit Reden ihr Geld verdient, wollen manche im Moment nur ungern reden.

Ulrike Ramsauer versteht die Geheimnistuerei nicht. Für sie ist die Rednervermittlung ein ganz normales Geschäft, eine Branche, die durch die jüngste Debatte zwar bekannter geworden ist, aber keinen Schaden genommen hat. Ihre Agentur stellt aus dem bayerischen Ort Fuchstal Kontakt zu etwa 1700 Rednern her, vor allem zu Fachleuten, aber auch zu Politikern und Wirtschaftsgrößen: Kurt Biedenkopf, Richard von Weizsäcker, Hans-Olaf Henkel. Die Kommunikationswissenschaftlerin hat sich auf Firmenveranstaltungen für Führungskräfte spezialisiert.

Sie kennt vier Arten von Kunden. Die ersten haben eine genaue Vorstellung, wer zu welchem Thema sprechen soll. Dass sie den Redner nicht gleich selber buchen, liegt oft an Berührungsängsten: "Die sitzen fünf Wochen an der Formulierung für die erste E-Mail. Mich kostet das einen Anruf." Außerdem sei es Kunden oft lieber, nicht selbst absagen zu müssen, wenn eine Veranstaltung ausfällt - das komme ständig vor. Wer nur das Thema weiß, gehört in die zweite Kategorie. Die Agentur macht dann Vorschläge, welcher Redner passen könnte. Die dritte Gruppe will einen bestimmten Gast, hat aber noch kein konkretes Thema im Kopf. Und die vierte weiß noch gar nicht, wer worüber reden könnte - Hauptsache, das Budget reicht.

Meistens läuft es so: Der Kunde sagt, wonach er sucht. Politiker und Prominente werden für Feste oder Jubiläen angefragt, andere Fachleute eher für Fortbildungen und Kongresse. Die Agentur macht dann einen Vorschlag: Redner X mit Thema Y. Wenn der Kunde einverstanden ist, wird der avisierte Redner gefragt: Hat er Zeit? Hat er Lust? Passt das Thema? Nicht jeder will gemeinsam mit Atomkraft- oder Glücksspiel-Lobbyisten auftreten. Und, natürlich: Wie viel Honorar verlangt er?

Beliebt seien vor allem ehemalige Politiker, sagt Ulrike Ramsauer. Aber auch Unbekannte: "Es gibt richtige Cracks in der Szene, die auf der Straße niemand erkennen würde." Reinhard Sprenger ist so einer, er schreibt Bücher über Management-Theorien und reist von einem Führungskräfte-Seminar zum nächsten. Ulrike Ramsauer sagt, er sei "hoch bezahlt" - den genauen Preis verrät sie nicht.

In Deutschland spricht man nicht über Geld, aber natürlich sickern Zahlen durch. Hinlänglich bekannt ist mittlerweile, dass Peer Steinbrück von den Bochumer Stadtwerken 25.000 Euro bekommen hat; der ehemalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher, den gleich mehrere Agenturen listen, erhält angeblich 30.000 Euro pro Auftritt; bei Ex-Kanzler Gerhard Schröder, der von der US-amerikanischen Agentur Harry Walker vertreten wird, sollen es über 50.000 Euro sein.

"Bill Clinton frage ich jedes Jahr drei, vier Mal an"

Wenn ein Thema oder eine Person en vogue ist, erhöht sich die Frequenz der Auftritte und damit der Verdienst. Mit 50.000 Euro gehört man in Deutschland zur Spitzengruppe - und trotzdem noch lange nicht in die Klasse der teuersten Redner dieser Erde: "Bill Clinton frage ich jedes Jahr drei, vier Mal an, hat aber leider noch nie geklappt", sagt Ulrike Ramsauer. "Der verlangt 150.000 US-Dollar", plus Spesen - also Flug in der ersten Klasse, Unterbringung im Top-Hotel und Verpflegung, all das für den Redner, Bodyguards und mindestens einen Begleiter.

Das Honorar für den Agenten ist da noch nicht eingerechnet: Ulrike Ramsauer nimmt 20 Prozent des Honorars als Vermittlungspauschale, ein branchenüblicher Satz - bei Clinton würde sie aber nur die Hälfte verlangen: "Die Amerikaner sind ja auch so schon so wahnsinnig teuer." Dort halte man die Höhe des Honorars übrigens nicht geheim, sondern brüste sich mit dem Wert des Redners - deswegen könne sie auch Clintons Preis nennen.

Lieblingsphilosoph zum Teetrinken

Auf Twitter kann man lesen, wer so viel Geld ausgibt: Die Harry Walker Agency tweetet über Auftritte ihrer Redner. Clinton sprach zuletzt beim "One Young World"-Summit in Pittsburgh, einer Art Davos für den Nachwuchs, Kofi Annan trat beim "American Business Council" auf. Wobei nicht jedesmal die volle Summe fließt: Viele Redner verlangen weniger oder verzichten ganz auf Honorar, wenn die Veranstaltung einem guten Zweck dient. Die Agentur bekommt dann statt der Prozente eine Aufwandspauschale.

Als Ausrichter bekommt man dafür im Idealfall einen kompetenten Redner, und, vor allem bei Prominenten: Werbung für die Veranstaltung. Letzteres natürlich nur, wenn genügend Zuhörer von dem Termin erfahren. Klar, man kann sich theoretisch auch den Lieblingsphilosophen zum Tee einladen, eine Agentur hat etwa Julian Nida-Rümelin und Richard David Precht im Portfolio. Solche Anfragen lehnten Redner aber stets ab, sagt Ulrike Ramsauer: "Sonst ist man dem Gastgeber so ausgeliefert." Und: "So käuflich ist die Branche nicht."

© SZ vom 05.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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