Privatkassen:Das dicke Ende kommt später

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Warum die privaten Krankenversicherer ihre Beiträge stabil halten - vorerst jedenfalls noch.

Von Herbert Fromme

Vielleicht kommt dem einen oder anderen privaten Krankenversicherer (PKV) die Diskussion über höhere Beiträge bei den gesetzlichen Kassen ja ganz gelegen. In der Vergangenheit haben manche Anbieter ähnliche Anlässe für eine Werbekampagne genutzt und versucht, gut verdienende Angestellte zum Übertritt in die PKV zu bewegen. Wechseln kann, wer im Jahr 54 900 Euro und mehr verdient. Nur Beamte und Selbständige können sich auch bei niedrigeren Einkommen privat versichern.

Doch sehr wahrscheinlich wird die Mehrheit der privaten Gesellschaften sich dieses Mal ruhig verhalten. Der Grund für die Zurückhaltung: Die Privatkassen stehen selbst vor einem massiven Preisschub. Bei den meisten Gesellschaften dürfte es spätestens Ende 2016 so weit sein. Experten erwarten bei den meisten Versicherern Erhöhungen im zweistelligen Prozentbereich. Bis zu 20 Prozent sind möglich.

Grund ist die gesetzlich vorgeschriebene Mechanik der Preiserhöhungen. Die Privaten dürfen ihre Prämien nur anheben, wenn einer der sogenannten auslösenden Faktoren anspringt. Das sind der Anstieg der Gesundheitskosten um mehr als zehn Prozent über den kalkulierten Werten - manche Anbieter arbeiten mit fünf Prozent - oder eine Änderung der Sterblichkeit um fünf Prozent.

Die Versicherer fürchten schon jetzt den Ärger ihrer Kunden im kommenden Jahr

Löst einer der Faktoren die Preisanpassung aus, müssen die Unternehmen allerdings auch alle weiteren veränderten Umstände berücksichtigen. Zurzeit sind das vor allem die niedrigen Zinsen. Weil die PKV-Kunden in jüngeren Jahren ein Polster fürs Alter bilden müssen, sorgen niedrige Zinsen für höhere Beiträge. Denn die Höhe der Alterungsrückstellung ist vorgeschrieben. Weil die Versicherer mit dem angesammelten Geld der Kunden weniger Rendite erzielen, müssen die Kunden selbst mehr ansparen - über höhere Beiträge.

Vergeblich hatte der PKV-Verband 2014 versucht, bei der damals anstehenden Reform des Versicherungsaufsichtsgesetzes eine Änderung der Regeln durchzusetzen. Nach dem Willen der PKV sollte auch die niedrige Zinsentwicklung zu Preisanpassungen führen können. Die geltenden starren Schwellenwerte von fünf und zehn Prozent seien zu unflexibel, argumentierte Volker Leienbach, Direktor des PKV-Verbandes. "Sie führen unter Umständen zu einem unnötigen Wechsel von mehrjährigen Nullrunden und dann sprunghaft ansteigenden Beiträgen", beklagte er. Hätte der PKV-Verband sein Ziel erreicht, hätte es in den vergangenen Jahren mehr als nur moderate Prämienerhöhungen gegeben. Aber der Branche wäre die nun anstehende gewaltige Erhöhung erspart geblieben.

Doch die große Koalition lehnte das Ansinnen ab. Jetzt befürchten die Versicherer, dass die drastischen Preiserhöhungen zu viel Verärgerung bei ihren Kunden und im politischen Berlin führen. Vor allem sorgen sie sich, dass die Diskussion über eine Bürgerversicherung vor der Bundestagswahl 2017 wiederaufleben könnte.

Schon jetzt fordern Verbraucherschützer mehr Transparenz von den Anbietern. Sie müssten bei Vertragsabschluss klar sagen, so verlangt Axel Kleinlein, der Vorstandsvorsitzende des Bundes der Versicherten, auf welche Preiserhöhungen sich die Kunden im Lauf der Jahre einstellen müssten.

© SZ vom 26.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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