Portugal:Moderator gesucht

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Der neue Präsident muss sich mit einer linken Regierung arrangieren, die einen Teil der Wirtschaftsreformen rückgängig machen will.

Von THOMAS URBAN, Madrid

In Portugal wurde am Sonntag ein neues Staatsoberhaupt gewählt. Umfragen sahen den prominenten 67 Jahre alten Rechtsprofessor und Fernsehmoderator Marcelo Rebelo de Sousa als großen Favoriten. Rebelo de Sousa hat sich einen Namen als sozial engagierter Katholik und als Vermittler in politischen Konflikten gemacht, er vertritt gemäßigt konservative Positionen. Er war im Laufe seiner politischen Karriere einer der Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei (PSD), die trotz ihres Namens liberal-konservative Positionen vertritt. Mit dem Endergebnis der Wahl wurde für Montagmorgen gerechnet.

Insgesamt hatten sich zehn Kandidaten zur Wahl gestellt. Die Sozialistische Partei (PS), die seit zwei Monaten, gestützt auf zwei linksextreme Gruppen, eine Minderheitsregierung führt, hat offiziell keinen von ihnen unterstützt. Nur zwei Kandidaten kamen in Umfragen nach dem mit 50 Prozent führenden Rebelo de Sousa auf jeweils 15 Prozent: Maria de Belém Roseira, die frühere PS-Vorsitzende, und der Psychologieprofessor António Sampaio da Nóvoa, der Ehrenpräsident der Universität von Lissabon ist und von Mitgliedern des linken PS-Flügels sowie den kommunistischen Gewerkschaften unterstützt wurde. Die Präsidentenwahl galt also als Entscheidung zwischen zwei politischen Lagern.

Von 2011 bis 2015 hatte eine Mitte-rechts-Koalition die Portugals Politik dominiert: Präsident Aníbal Cavaco Silva, der nun nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten konnte, gehörte ebenso der PSD an wie Premier Pedro Pasos Coelho, der das Land mit einem harten Sparkurs aus der Rezession geführt hat.

Das damals sozialistisch regierte Portugal war 2011 mit einem Kredit über 78 Milliarden Euro vom Internationalen Währungsfonds, der Europäischen Zentralbank und der EU vor dem Bankrott gerettet worden. Die öffentlichen Schulden sind vor allem die Folge gravierender Fehler zweier Politiker: Der Konservative José Manuel Barroso hatte als Premier vor knapp 15 Jahren wichtige Strukturreformen versäumt und den überdimensionierten Ausbau der Infrastruktur für die Fußball-Europameisterschaft 2004 nicht gebremst. Die Auswirkungen der Versäumnisse Barrosos wurden allerdings erst offenbar, als er bereits Präsident der EU-Kommission war. Sein Nachnachfolger, der Sozialist José Sócrates, ließ den öffentlichen Dienst weiter aufblähen. Dieser war 2011, als Sócrates nach dem Absturz der Wirtschaft und der Flucht unter den EU-Rettungsschirm abgewählt wurde, im Verhältnis zur Einwohnerzahl doppelt so groß wie in der Bundesrepublik. Dagegen begehrten zunehmend auch die Verbände der Kleinhändler und mittleren Betriebe auf, die das Rückgrat der portugiesischen Volkswirtschaft stellen.

Die neue Minderheitsregierung unter dem Sozialisten António Costa möchte allerdings einen Teil der Kürzungen im Staatsapparat, die sein Vorgänger Coelho im Rahmen des Sanierungsprogramms durchgesetzt hatte, rückgängig machen. Allerdings ist Lissabon bis zur Rückzahlung der geliehenen Milliarden gegenüber den drei Kreditgebern rechenschaftspflichtig. Rebelo de Sousa hat im Wahlkampf keine Zweifel daran gelassen, dass an den EU-Vorgaben für den Staatshaushalt nicht gerüttelt werden dürfe.

© SZ vom 25.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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