Polizei:20 Millionen Überstunden

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Kanzlerkandidat Schulz polarisiert: Diesmal kritisiert er den Personalmangel der Sicherheitsbehörden - und macht der Union Vorwürfe. Die reagiert ungehalten.

Von Jan Bielicki, Düsseldorf

Mit seinem Vorwurf, die "neoliberale Ideologie" habe Polizei und Sicherheitsorgane "ausgeblutet", hat der SPD-Kanzlerkandidat heftige Kritik vor allem aus der CSU auf sich gezogen - aber auch Zustimmung erhalten. "Aus unserer Sicht hat er recht", sagte Oliver Malchow, der Chef der Gewerkschaft der Polizei der Süddeutschen Zeitung, "wir sagen ja selbst: Es fehlen bundesweit 20 000 Polizisten."

Die CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt bezeichnete es hingegen als "infam" und als "Zündelei", dass Schulz versuche, die Unionsparteien für eine Verschlechterung der Sicherheitslage verantwortlich zu machen. Schulz handele "wie ein Quacksalber, der den Menschen eine Krankheit einredet, damit er ihnen dann eine teure Kur verkaufen kann", sagte Hasselfeldt der Neuen Osnabrücker Zeitung. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer warf dem designierten SPD-Chef in der Passauer Neuen Presse vor, mit falschen Zahlen und Fakten zu operieren: "Diese Schulz-Fakes werden wir aufdecken." Schulz hatte die Union indirekt bezichtigt, schuld daran zu sein, dass "unter dem Motto schlanker Staat, privat statt Staat" die Kriminalitätsbekämpfung erschwert werde. Man dürfe "auch mal daran erinnern, dass seit zwölf Jahren das Bundesinnenministerium von der Union geführt wird", sagte er bei einem Auftritt in Leipzig.

Polizei-Provokation: Mit seinem Vorwürfen in Fragen der Kriminalitätsbekämpfung hat Kanzlerkandidat Schulz die Union gegen sich aufgebracht. (Foto: Friso Gentsch/dpa)

Laut aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamts gab es in den Polizeibehörden des Bundes und der Länder im Jahr 2015 tatsächlich etwa 16 000 Vollzeitstellen weniger als noch 1998. Insgesamt waren zuletzt etwa 311 000 Menschen im Polizeidienst beschäftigt. Sie teilten sich 300 000 Vollzeitstellen, 260 000 davon besetzten Polizeibeamte. Bundespolizei und Bundeskriminalamt stellen aber nur 14 Prozent der Polizeibediensteten. Für die allermeisten Polizisten sind die Bundesländer und deren Innenminister ganz unterschiedlicher politischer Couleur zuständig.

SZ-Grafik; Quelle: Statistisches Bundesamt (Foto: SZ-Grafik)

Der Polizei gefallen die Äußerungen von Schulz - der Union überhaupt nicht

In den Ländern geht der Trend seit 2009 wieder nach oben. So haben die großen Flächenländer Westdeutschlands, aber auch Berlin ihre Polizeikräfte seither wieder leicht aufgestockt, das CSU-regierte Bayern, aber etwa auch das rot-grün geführte Nordrhein-Westfalen sogar deutlich. Sehr viel weniger Polizisten als zur Jahrtausendwende tun dagegen in Ostdeutschland Dienst, gemessen an der Bevölkerung sind es aber immer noch mehr als im Westen. Gerade das Beispiel NRW zeigt, dass die personelle Ausstattung der Polizei mit dem Parteibuch des jeweiligen Innenministers eher wenig zu tun hat. Während die schwarz-gelbe Landesregierung bis 2010 im Personaletat der Polizei kräftig gestrichen hatte, hat der SPD-Innenminister Ralf Jäger die Zahl der neuen Stellen erhöht, seit der Silvesternacht von Köln sogar noch einmal massiv. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) will in den nächsten drei Jahren sogar 7000 neue Beamte in die Bundespolizei holen. Allerdings werden jetzt eingestellte Polizeianwärter frühestens in drei Jahren als Polizisten im Einsatz sein.

"Das Bewusstsein, das etwas getan werden muss, ist da", lobte Gewerkschafter Malchow die Anstrengungen. Er nannte es jedoch "bedauernswert", dass die Politik erst auf die Empörung in der Bevölkerung nach der Kölner Silvesternacht und auf die Wahlergebnisse für die AfD reagiert habe: "Der Zustand war ja schon vorher da". Seit Jahren wachse die Arbeitslast durch immer höheren Ermittlungsaufwand etwa in der Terrorbekämpfung oder durch immer personalaufwendigere Einsätze bei Demonstrationen oder Fußballspielen. Nach Erhebungen der Gewerkschaft schieben Deutschlands Polizisten 20 bis 22 Millionen Überstunden vor sich her. Das entspricht demnach der Jahresarbeit von 13 500 Polizisten.

© SZ vom 01.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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