Polizei:Das Wort als Waffe

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Die Hürden im Fach Deutsch bei den Aufnahmeprüfungen der Polizei werden immer niedriger. Doch die Gewerkschaft pocht auf gute Sprachkenntnisse der Beamten - bei den aktuellen Anforderungen seien sie das wichtigste Arbeitsmittel.

Von Susanne Höll

In den deutschen Schulen gibt es eine Faustregel bei den Diktatnoten. Wer sich - gemessen an der Wortzahl - zehn Prozent Fehler leistet, bekommt die Note 6. Bei der Polizei, egal ob der des Bundes oder der der Länder, herrschen bei den Aufnahmeprüfungen wesentlich laxere Regeln. In Rheinland-Pfalz können die Bewerber für die Landespolizei-Hochschule, wohlgemerkt allesamt Abiturienten oder junge Leute mit Fachhochschulreife, bei Rechtschreibübungen mit 150 Wörtern 20-mal patzen. Wer bei der Bundespolizei nach der Realschule in den mittleren Dienst will, darf sich eine ähnlich hohe Fehlerquote leisten.

Die Texte sind nicht extrem schwierig, niemand wird mit Ausdrücken wie Rhododendren, Diarrhö oder Sisyphusarbeit auf die Schreibprobe gestellt. Warum, bitte schön, sind die Regeln für Polizeibewerber so lasch?

"Die Rechtschreibkenntnisse der Bewerber werden immer schlechter", antwortet Annette Jedamzick, zuständig für die Nachwuchsförderung bei der Bundespolizeiakademie. In den Schulen und Elternhäusern werde heutzutage deutlich weniger Wert auf Orthografie gelegt. Die Klage kennt man, die Wirtschaft beschwert sich darüber seit Jahren. Jedamzick gibt unumwunden zu, dass deshalb die Anforderungen an die Rechtschreibkünste gesenkt wurden. Ansonsten könne man die derzeit vielen offenen Stellen nicht besetzen.

Die Hürden im Fach Deutsch bei den Aufnahmeprüfungen der Polizei sind extrem niedrig

Die Antworten aus Rheinland-Pfalz fallen differenzierter aus. Polizeidirektor Ernst Marx von der Polizeihochschule bestätigt, dass die Orthografie-Kenntnisse spürbar schlechter geworden sind. Aber die hohe erlaubte Fehlerzahl solle insbesondere Bewerbern aus Migrantenfamilien zugute kommen, denen der sprachliche Feinschliff fehle. Und wer als Ur-Deutscher ganz viele Fehler im Diktat mache, habe sowieso äußerst schlechte Chancen auf einen Studienplatz.

Anders als bei der Bundespolizei seien die Standards für die Prüfungen nicht abgesenkt worden, sagt Marx. Auch in Bayern sind die Anforderungen unverändert hoch. Aber auch Landesinnenminister Joachim Herrmann (CSU) stellt fest, dass es mit den Rechtschreibkenntnissen bergab geht.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht sinkende Anforderungen bei der Einstellung mit großer Sorge. "Das ist sträflich. Unser Berufsbild wird verwässert", schimpft GdP-Vizechef Jörg Radek. Die Sprache, nicht die Waffe sei das wichtigste Arbeitsmittel für moderne Polizisten. Die Bürger hätten ein Anrecht auf Beamte, die der deutschen Sprache mächtig seien, in Wort und Schrift. Radek und auch Innenexperten aus der Politik wie etwa der rheinland-pfälzische Landtagsabgeordnete Matthias Lammert (CDU) fordern deshalb, Polizeianwärter mit Rechtschreibschwächen in der Ausbildung sprachlich zu trainieren. Das ist in Rheinland-Pfalz und auch bei der Bundespolizei längst der Fall. In der Bundespolizeiakademie gehört Orthografie zwar nicht zum traditionellen Lehrstoff, aber Nachschulungen seien ebenso üblich wie erfolgreich, sagt die Nachwuchsexpertin Jedamzick. Unter den Anwärtern seien etliche "kleine Rohdiamanten", die zum Start sprachlich keinen guten Eindruck gemacht hätten. "Und nach zwei, drei Monaten sind die nicht wiederzuerkennen."

© SZ vom 20.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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