Politischer Aschermittwoch:Eine Versuchung namens Fake

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Es ist in Ordnung, wenn Horst Seehofer den SPD-Kanzlerkandidaten einen Schummler nennt. Aber es ist gefährlich, die Begriffe von Trump und Co. zu übernehmen.

Von Detlef Esslinger

Nun ist das Vokabular des politischen Betriebs um einen Ausdruck reicher: "Martin der Schummler". Diese Bezeichnung ist Horst Seehofer eingefallen, um den Umgang des SPD-Kanzlerkandidaten mit Statistiken zu attackieren. Sofern dies das Niveau ist, auf das die Auseinandersetzung im Bundestagswahlkampf maximal sinken wird, dann kann man im September bilanzieren: Glück gehabt; hätte schlimmer kommen können. Aber vielleicht kommt es ja schlimmer.

Der Politische Aschermittwoch sei das "Hochfest der Patrioten", hat der CSU-Politiker Alexander Dobrindt gesagt; leider ist der Tag nicht auch das Hochfest der Rhetoriker. Passau, wie es singt und lacht war schon immer ähnlich bemüht wie die Darbietungen im Rheinischen, wo es ein Wagenbauer schon für Humor hielt, einen Trump zu präsentieren, der sich von hinten an der Freiheitsstatue vergeht. Die Wortschöpfung "Martin der Schummler" zeigt zweierlei: dass der Unterhaltungswert auch von Passau begrenzt ist - und wo die Grenze in der Auseinandersetzung unter Demokraten liegen sollte.

Wer aus einer Debatte als Sieger hervorgehen will, greift in der Regel zu denjenigen Argumenten, Zahlen und Zitaten, von denen er sich Bestätigung erhofft; nicht zu den anderen. Hermann Josef Abs, der einstige Chef der Deutschen Bank, goss dies in das Bonmot, eine Statistik sei wie eine Laterne im Hafen: "Sie dient dem betrunkenen Seemann mehr zum Halt als zur Erleuchtung." Wenn also Martin Schulz der Union vorwirft, die Polizei "ausgeblutet" zu haben, wird er selber damit rechnen, dass die sich das nicht gefallen lässt.

Demokratische Politiker sollten auf ihre Begriffe achtgeben

Die Grenze der verantwortlichen Auseinandersetzung wird jedoch überschritten, wenn Politiker einander "Fake News" vorwerfen. Besonders CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer ist darin emsig. Vor Kurzem warf er den Grünen im Streit um die Maut vor, Fake News zu verbreiten; jetzt versucht er, bei Twitter "#SchulzFake" zu etablieren. Zu befürchten ist, dass Politiker aus allen Lagern der Versuchung nachgeben und demnächst zum Fake-Wort greifen - oder irgendwelche Trump-Vergleiche anstellen werden. Die Linken-Vorsitzende Kipping übte am Aschermittwoch schon mal; sie nannte Seehofer den "Donald Trump von Bayern".

Fake News ist der Begriff für eine Technik. Sie wird benutzt von Akteuren wie Trump oder Russia Today, dem kreml-nahen Sender. Sie erfinden Skandale, um die Demokratie zu zersetzen. Fake News ist zudem ihr zentraler Kampfbegriff, indem sie behaupten, "die Medien" oder "die Altparteien" würden die Wahrheit verdrehen oder unterdrücken. Und Wahlen werden weniger über Programme als über Begriffe entschieden. Wer nun als Demokrat diesen Begriff in jeder nächstbesten Debatte übernimmt, weil er scheinbar so schön wirkungsvoll ist, der schmäht damit nicht seinen Konkurrenten, der verschafft auch nicht sich selbst irgendeinen Mini-Vorteil - sondern der hilft nur den Demokratiefeinden. Die wollen nichts mehr, als Diffamierung alltäglich zu machen.

© SZ vom 02.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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