Politische Folgen:Mächtig im Hintergrund

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Der Abgang des Premiers stärkt diejenigen, die schon immer die Strippen zogen: die Militärführung des Landes. Doch der Rückzug könnte auch dem Oppositionsführer neuen Auftrieb verleihen. Er prangert die Korruption schon lange an.

Von Tobias Matern

Das Urteil fiel einstimmig aus. Fünf Richter des Obersten Gerichts Pakistans haben Nawaz Sharif seines Amtes enthoben. Der Premierminister sei unehrlich und daher nicht mehr in der Lage, den Posten als Regierungschef auszuüben. Für die muslimische Nation geht damit eine monatelange Hängepartie zu Ende. Sharif hatte seit Veröffentlichung der Panama Papers zwar massiv unter Druck gestanden, weil dadurch das Finanzgebaren seiner Familie öffentlich wurde. Aber die Vorwürfe wies er auch dann noch zurück, als selbst aus seiner eigenen Partei kritische Stimmen zu vernehmen waren.

Die nächste Wahl in Pakistan ist für 2018 vorgesehen, am Freitag war zunächst noch nicht klar, wer auf Sharif folgen soll. Laut Verfassung muss der Regierungschef vom Parlament gewählt werden. Premier Sharif verliert seinen Job, aber an den strukturellen Defiziten des politischen Systems in Pakistan ändert das zunächst einmal nicht viel. Nach wie vor ist das Militär mächtigste Institution im Land. "Kasernenhofdemokratie" hat der deutsche Politikwissenschaftler Christian Wagner Pakistan einmal treffend genannt. Zwar gibt es ein Parlament und eine zivile Regierung, zentrale Entscheidungen gehen aber nie ohne Mitwirkung der Militärführung über die Bühne, auch die Causa Sharif nicht. In dem vom Obersten Gericht eingesetzten Gremium, das nach Veröffentlichung der Panama Papers das Finanzgebaren des Premiers und seiner Familie untersucht hat, saßen auch Vertreter des Militärs und des militärischen Geheimdienstes. Basierend auf den Empfehlungen dieses Gremiums haben die Richter Sharif nun entmachtet.

Im Untersuchungsgremium zum Fall Sharif saßen auch Vertreter des Militärs

Auch wenn die Presse inzwischen alles andere als zimperlich mit den Politikern in Pakistan umgeht und die Panama Papers über Monate die Nachrichten bestimmt haben - an die zwielichtigen Geschäfte des Militärs und ihren großen Einfluss auf die Politik trauen sich die Journalisten nur selten heran. Die meisten Pakistaner haben sich mit der Macht des Militärs abgefunden, auch erwarten sie wenig von ihrer politischen Führung. Das feudale System mit Großgrundbesitzern und Lohnabhängigen schafft auf politischer Ebene eine Kontinuität, die dem Land nicht guttut: Wer Macht, Geld und den richtigen Familiennamen hat, kann die entscheidenden Stimmen hinter sich vereinen. Viele Pakistaner haben zudem ein kurzes Gedächtnis, sie vergeben ihren Spitzenpolitikern schnell: In den 1990er-Jahren war Sharif schon einmal Regierungschef, er wechselte sich auf dem Posten ab mit der inzwischen ermordeten Benazir Bhutto von der Pakistanischen Volkspartei. Beide übertrafen sich in mieser Regierungsführung.

Trotzdem sind diese beiden Familien, die Sharifs und Bhuttos, seit Jahrzehnten tonangebend und bestimmten die politischen Geschicke des Landes - wenn das Militär sie lässt. Daran könnte das am Freitag gefällte Urteil etwas ändern. Zum einen, weil es Nawaz Sharif mit einem Politikverbot belegt. Zum anderen, weil nun auch Sharifs Tochter Maryam am Pranger steht. Sie war als Thronfolgerin ihres Vaters vorgesehen, gemäß der jahrzehntealten Logik Pakistans: Regiert kein Präsidentengeneral, regiert ein Bhutto oder ein Sharif.

Nun muss sie sich auf einen Prozess einstellen. Diese Tradition könnte jetzt ein anderer Politiker durchbrechen: Imran Khan, Kapitän der legendären pakistanischen Cricket-Weltmeistermannschaft von 1992. Ein Volksheld, der zwar auch Probleme mit dem Fiskus hat, der aber eine Anti-Korruptions-Agenda propagiert. Ihm wirft niemand vor, in die eigene Tasche zu wirtschaften. Dass Pakistan sich ändern müsse, dass nur er es von der korrupten Elite der Sharifs und Bhuttos befreien kann - diese Slogans kommen vor allem in der Mittelschicht und bei jungen Pakistanern gut an. Er hat zumindest rhetorisch immer dafür gekämpft, Pakistan offener, demokratischer und korruptionsfreier zu machen. Seine frühere ideologische Nähe zu den radikalislamischen Taliban hat ihm nicht nachhaltig geschadet. Khans Beliebtheitswerte sind in den vergangenen Jahren steil nach oben gegangen, der Oppositionsführer hofft nun, zum Sprung auf das Amt des Regierungschefs anzusetzen.

Großer Gewinner des Urteils vom Freitag aber ist das Militär. In der wechselvollen Geschichte der pakistanischen Nation, die bei der Teilung des indischen Subkontinents 1947 als Heimstätte für die Muslime gegründet wurde, regierten etwa die Hälfte der Zeit Generäle das Land. In der anderen Hälfte zogen sie im Hintergrund die Strippen, auch jetzt haben sie sich wieder durchgesetzt: Keine Entscheidung von außen- und sicherheitspolitscher Bedeutung lässt sich im Atomstaat Pakistan gegen den Willen der Armeeführung fällen.

© SZ vom 29.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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