Politik kompakt:Japaner protestieren gegen Atomkraft

Lesezeit: 7 min

Drei Monate nach dem verheerenden Beben strahlt die Atomruine in Fukushima noch immer - jetzt kommt es auch in Japan zu Massenprotesten: Tausende gehen gegen Kernkraft auf die Straße.

im Überblick.

Drei Monate nach dem verheerenden Erdbeben und dem Beginn der Atomkatastrophe von Fukushima sind in Japan Tausende Menschen gegen Atomkraft auf die Straße gegangen. Den Protestzügen im ganzen Land schlossen sich am Samstag Arbeiter, Studenten und Eltern mit ihren Kindern an. Auf Transparenten war zu lesen "Keine Atomkraft" und "Nie wieder Fukushima". In dem AKW war es in Folge der Erdstöße am 11. März zur Kernschmelze gekommen. Seitdem hat die in Japan zuvor eher unscheinbare Anti-Atomkraft-Bewegung an Bedeutung gewonnen.

Mit Anti-Atomkraft-Plakaten und Mini-Fukushima-Modellen gingen in ganz Japan Tausende auf die Straßen. Nach der Katastrophe von Fukushima hat die japanische Anti-Atomkraft-Bewegung deutlich an Bedeutung gewonnen. (Foto: REUTERS)

Doch die Zahl ihrer Anhänger bleibt geringer als in Deutschland. "Die Menschen in Japan haben zwar auch ihre eigene Meinung", sagte der Demonstrant Reo Komazawa. "Aber sie sind nicht so daran gewöhnt wie die Deutschen, sie öffentlich zeigen." Die Demonstranten zogen auch vor die Zentrale des Fukushima-Betreibers Tepco, den sie in Sprechchören als Lügner bezeichneten.

Die jüngsten Proteste dürften den Druck durch die Öffentlichkeit erhöhen, der bereits zum Stillstand eines Großteils der japanischen Atomkraftwerke geführt hat. Im ganzen Land wurden zahlreiche Reaktoren nach turnusgemäßer Wartung nicht wieder ans Netz gebracht, weil zunächst strengere Sicherheitsauflagen umgesetzt werden sollen. Derzeit laufen 19 der 54 AKWs, die vor Fukushima in Betrieb waren. Kritiker warnen aber vor Stromengpässen, und viele Experten halten einen vollständigen Atomausstieg in Japan für wirtschaftlich riskant.

Die Demonstrationen drei Monate nach Beginn der Katastrophen-Serie aus Erdbeben, Tsunami und Atomunfall bringen auch den für sein Krisenmanagement in die Kritik geratenen Ministerpräsidenten Naoto Kan weiter in Bedrängnis. Kan besuchte am Samstag das Erdbebengebiet im Nordosten Japans, um der vermutlich mehr als 23.000 Todesopfer zu gedenken. 80.000 Menschen mussten ihre Häuser in der verstrahlten Umgebung Fukushimas verlassen. Kan überstand kürzlich im Parlament ein Misstrauensvotum - nachdem er seinen Rücktritt für die Zeit nach Bewältigung der schwersten Katastrophenfolgen angekündigt hatte.

(dpa)

Im kroatischen Split endet eine Homosexuellen-Parade im Chaos, der ostafrikanische Al-Qaida-Chef soll Polizeiangaben zufolge tot sein, Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann rät seiner Partei, dem Atomausstieg zuzustimmen und bei einem Bombenanschlag in Afghanistan kamen 15 Menschen ums Leben. Diese und weitere Meldungen lesen Sie auf den folgenden Seiten.

Die erste Homosexuellen-Parade in der kroatischen Adriastadt Split ist am Samstag nach Krawallen abgebrochen worden. Schätzungsweise 10.000 Menschen griffen die rund 300 Teilnehmer des ersten öffentlichen Schwulenumzuges in der größten Hafenstadt des Landes mit Steinen, Feuerwerkskörpern, Eiern, Gläsern und Flaschen an. "Bringt die Homos um!", rief die aufgebrachte Menge immer wieder.

Die Polizei hielt die Angreifer mit Absperrgittern und Tränengas auf Distanz. Rund 300 von ihnen seien festgenommen worden, teilten die Behörden mit. Fünf Personen seien mit Verletzungen ins Krankenhaus gebracht worden. Nachdem die Homosexuellen wegen der Gewalt ihren Auftritt an der Promenade abgebrochen hatten, wurden sie von der Polizei in aller Eile in Sicherheit gebracht. "Chaos in Split" titelte die Internetseite der Zagreber Zeitung Jutarnji list.

(dpa)

Der ostafrikanische Chef des Al-Qaida-Netzwerks und mutmaßliche Drahtzieher der Terroranschläge auf die US-Botschaften in Nairobi und Daressalam im Jahr 1998 ist nach Polizeiangaben tot. Fazul Abdallah Mohammed sei bereits am Mittwoch an einem Kontrollpunkt der somalischen Truppen in Mogadischu getötet worden, sagte der kenianische Polizeichef Matthew Iteere der Zeitung Daily Nation. Ermittler wollen nun mit einer DNS-Analyse klären, ob es sich bei dem Toten tatsächlich um den Top-Terroristen handelt, der seit Jahren weltweit gesucht wurde.

Der auf den Komoren geborene Abdallah, der auch die kenianische Staatsangehörigkeit hat, war nach der Tötung Osama bin Ladens als einer der möglichen Nachfolger des Terrorchefs im Gespräch gewesen. Die Anschläge auf die US-Botschaften, bei denen mehr als 250 Menschen getötet wurden, gelten als der erste Terrorangriff von al-Qaida. Abdallah soll auch verantwortlich für den Sprengstoffanschlag auf ein israelisches Hotel an der kenianischen Küste im Jahr 2002 gewesen sein. Damals wurden 13 Menschen getötet und mehr als 80 verletzt.

(dpa)

Bei zwei Explosionen in der nordwest-pakistanischen Stadt Peshawar sind nach Polizeiangaben mindestens 20 Menschen getötet worden. Die Detonationen ereigneten sich am späten Samstagabend auf einem Markt, wie die Polizei weiter mitteilte. Zunächst hatte eine schwächere Explosion mehrere Opfer gefordert, berichtete ein Polizeisprecher. "Als dann die Menschen zusammenströmten, um Hilfe zu leisten, erfolgte eine schwerere Explosion." Über die Ursache der Explosionen machte sie zunächst keine Angaben. Seit der Tötung von Al-Qaida-Chef Osama bin Laden durch US-Elitesoldaten in Pakistan im vergangenen Monat haben muslimische Extremisten verstärkt Bomben- und Selbstmordanschläge im Land verübt.

(Reuters/dpa)

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat seine Partei davor gewarnt, den zwischen Bund und Ländern ausgehandelten Atomausstieg bis zum Jahr 2022 abzulehnen. Zum einen sei die Vereinbarung ein epochaler Sieg für seine Partei, sagte Kretschmann dem Tagesspiegel am Sonntag. Zum anderen würden die Grünen mit einer Ablehnung ihrer Mehrheitsfähigkeit schaden: "Dann bremsen wir uns selbst aus auf dem Weg hin zur führenden politischen Kraft in Deutschland."

Ein Sonderparteitag soll in zwei Wochen in Berlin entscheiden, ob die Grünen das Ausstiegsgesetz mittragen. Ein Nein wäre nach Worten Kretschmanns ein Akt der Selbstbeschränkung: "Damit würden wir uns im Oppositionsgestus einmauern." Wenn man ein Land gestalten wolle, genüge es nicht, schlechte Entwicklungen zu verhindern. "Man muss auch führen wollen", mahnte der erste grüne Ministerpräsident. Der erzielte Konsens zähle weit mehr als das ursprüngliche Ziel seiner Partei, bis zum Jahr 2017 aus der Atomkraft auszusteigen, sagte Kretschmann: "Nun ist der Ausstieg unumkehrbar, weil fast alle mitmachen."

Dem widersprach die stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Bärbel Höhn. "Ich wünsche mir einen schnelleren Ausstieg aus der Kernenergie", sagte sie der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Auch sei der Atomausstieg juristisch nicht unumkehrbar. "Wenn im Herbst 2021 Bundestagswahl ist und direkt danach sechs Atomkraftwerke abgeschaltet werden sollen, könnte die Versuchung groß sein, diesen Beschluss doch wieder zurückzunehmen", sagte Höhn. Der Grünen-Fraktionschef im schleswig-holsteinischen Landtag, Robert Habeck, sagte der Zeitung, ein Ausstieg 2017 sei machbar. Nach einer Verabschiedung des Atomgesetzes könnten die Grünen den Ausstieg aber nicht mehr beschleunigen, selbst wenn sie bei der Bundestagswahl 2013 an die Regierung kämen.

(Reuters)

Bei einem Bombenanschlag im Süden Afghanistans sind 15 Menschen getötet worden. Bei den Todesopfern handele es sich um acht Kinder, vier Frauen und drei Männer, teilte das Innenministerium in Kabul mit. Ihr Fahrzeug sei in der Region Hadschi Lahore in der Provinz Kandahar von der Bombenexplosion getroffen worden. Das Gebiet ist eine Hochburg der radikal-islamischen Talibanrebellen.

Die Gewalt in Afghanistan erreichte im Mai einen neuen, negativen Rekord: Für afghanische Zivilisten war der vergangene Monat der tödlichste seit mindestens vier Jahren. Im Mai seien 368 Menschen getötet und 593 weitere verletzt worden, erklärte die Chefin der UNAMA-Menschenrechtsabteilung, Georgette Gagnon. Das seien mehr als in jedem anderen Monat seit Beginn der Aufzeichnungen der UNAMA über tote und verletzte Zivilisten im Jahr 2007.

Mehr als drei Viertel der Zivilisten - nämlich 301 - seien von den Aufständischen getötet worden. Weitere 45 Zivilisten wurden den Angaben zufolge von Soldaten der Nato oder der afghanischen Armee getötet, bei 22 weiteren war eine Zuordnung demnach nicht möglich.

(Reuters)

Grünen-Chef Cem Özdemir hat eine Koalition mit der CDU nach der nächsten Bundestagswahl nicht ausgeschlossen. Zwar sei bei einer Umsetzung grüner Inhalte die Schnittmenge mit der SPD größer, sagte er dem Hamburger Abendblatt. "Aber wir haben immer gesagt, dass wir je nach Situation vor Ort auch mit der CDU reden." Es gebe noch viel Trennendes, doch habe sich die Union jetzt von der Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke verabschiedet.

Unionsfraktionschef Volker Kauder dagegen sagte der Passauer Neuen Presse, auch wenn mit dem Atomausstieg eine große Trennungslinie weg sei, trenne Grüne und Union mehr als sie verbinde. "Die Grünen sind immer noch Gegner von Innovation und Fortschritt. Sie haben Angst vor Neuem. Das passt nicht zu uns." Die Union habe eine Koalition mit der FDP. Die habe sie gewollt, und die werde sie mit Angela Merkel als Kanzlerin auch 2013 fortsetzen.

FDP-Generalsekretär Christian Lindner warnte den Koalitionspartner vor einem Bündnis mit den Grünen. Die Grünen seien zu einer "Staatspartei mit volkserzieherischem Anspruch" geworden, sagte er der Frankfurter Rundschau. Deshalb habe die Union in schwarz-grünen Bündnissen immer verloren. CDU, CSU und FDP hätten die größten politischen Gemeinsamkeiten.

Die Koalition verharrt nach der Entscheidung der Bundesregierung zum Atomausstieg in Umfragen im Stimmungstief, während der Höhenflug der Grünen anhält. Nach dem neuen ZDF-Politbarometer käme die CDU/CSU auf 34 Prozent, wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre. Die SPD lag in der am Freitag veröffentlichten Umfrage bei 28 Prozent, die Grünen erreichten 22 Prozent. Die FDP blieb mit vier Prozent unter der Fünf-Prozent-Hürde, die Linke erreichten sieben Prozent. In dem am Donnerstag veröffentlichten ARD-Deutschlandtrend lagen die Grünen bei 24 Prozent und damit nur noch knapp hinter der SPD mit 25 Prozent. Der Wert der Union sank hier auf 33 Prozent.

(AFP)

Bei Anschlägen im Irak sind nach Regierungsangaben mindestens zehn Menschen ums Leben gekommen. In Mossul im Norden des Landes kosteten zwei Autobombenanschläge sechs Menschen das Leben, 52 weitere wurden verletzt. Beide Bomben detonierten nacheinander in kurzem Abstand.

Mindestens eine von ihnen zielte offenbar auf eine Polizeipatrouille. Unter den Toten waren nach Angaben eines Mitglieds des Provinzrats zwei Polizisten.

In einem Dorf in der Nähe von Tikrit in der Mitte des Landes stürmten acht Bewaffnete in der Nacht zum Samstag das Haus eines Lehrers und töteten seine drei Söhne und die Tochter. Anschließend flüchteten die Täter in einem Kleinbus, wie ein Sprecher der Provinz Salahuddin sagte. Die Behörden versuchten zu ermitteln, ob es sich um eine Tat Aufständischer oder um einen Stammeskonflikt handelte.

(dapd)

Bei Gefechten mit Kämpfern der Extremistenorganisation al-Qaida im Südjemen sind nach offiziellen Angaben 30 Menschen getötet worden. Bei den Auseinandersetzungen in der Provinz Abjan seien 21 Extremisten und neun Soldaten ums Leben gekommen, teilte das Verteidigungsministerium mit.

In der Hauptstadt Sindschibar, die sich in der Hand der Extremisten befindet, sei ein Waffen- und Munitionslager zerstört worden. Dem staatlichen Fernsehen zufolge dauerten die Kämpfe an. Einwohner berichteten von Angriffen der Luftwaffe auf die Stadt.

Die Konflikte mit Separatisten im Süden des Jemen und schiitischen Rebellen im Norden sind älter als die jüngsten Proteste gegen Präsident Ali Abdullah Saleh. Dieser begab sich vor gut einer Woche nach Saudi-Arabien. Dort ließ er Verletzungen behandeln, die er sich bei einem Angriff auf seinen Palast zugezogen haben soll. Sein Gesundheitszustand soll nach wie vor "schlecht" sein, verlautete nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP aus einer jemenitischen Quelle in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad.

(Reuters/AFP)

© sueddeutsche.de/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: