Politik kompakt:Italien schickt Tunesien-Flüchtlinge zurück

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Wer vor dem Chaos in Nordafrika flieht, wird von Italien künftig abgewiesen. Gleichzeitig legt sich Rom in der Flüchtlingsfrage mit Frankreich an.

im Überblick.

Italien will ab sofort alle über das Mittelmeer kommenden tunesischen Flüchtlinge in ihr Heimatland zurückschicken. Immigranten, die sich schon im Land befinden, sollen eine befristete Aufenthaltserlaubnis erhalten, mit der sie auch in andere EU-Staaten einreisen können. Das erklärte der italienische Innenminister Roberto Maroni am Donnerstag in Rom.

Ein Flüchtling aus Nordafrika und zwei Mitglieder der Küstenwache am Mittwoch auf Lampedusa. Vor der süditalienischen Insel war ein Boot mit bis zu 250 Menschen an Bord gekentert. Die meisten von ihnen ertranken. Jetzt will die Regierung in Rom keine neuen tunesischen Flüchtlinge mehr ins Land lassen. (Foto: AP)

Dieser Schritt könnte vor allem den Flüchtlingsstreit zwischen Paris und Rom verschärfen. Zahllose Tunesier werden wohl versuchen, von Italien nach Frankreich zu reisen. Ein Dekret, das allen bis Mittwoch in Italien angekommenen Flüchtlingen eine zeitlich begrenzte Aufenthaltsgenehmigung gewährt, sollte Maroni zufolge noch am Donnerstag in Kraft treten. Dies erlaube den Flüchtlingen "Bewegungsfreiheit in ganz Europa." Da die meisten von ihnen nach Frankreich wollten, wäre ein gemeinsames Vorgehen von Rom und Paris wünschenswert, sagte Maroni. Paris habe sich in dieser Frage jedoch bisher leider "feindlich" verhalten. "Schengen muss jedoch respektiert werden", erklärte der Minister mit Blick auf das Grenzabkommen.

Die französische Regierung reagierte hart und erschwerte umgehend die Bedingungen für die Einreise von Migranten. Tunesische Flüchtlinge, die in Italien eine vorläufige Aufenthaltserlaubnis bekommen, können ab sofort nur nach Frankreich weiterreisen, wenn sie mehrere Auflagen erfüllen. Die Zeitung Le Figaro veröffentlichte eine entsprechende Dienstanweisung des Innenministers. Demnach müssen die Flüchtlinge unter anderem über 61 Euro pro Person und Tag verfügen.

Nach einem Raketenangriff tötet Israels Armee bei einem Vergeltungsschlag vier Palästinenser, die EU-Innenminister entscheiden über eine massive Ausweitung der Fluggastdaten-Speicherung und in China werden erneut Dissidenten festgenommen. Lesen Sie auf den folgenden Seiten weitere Kurzmeldungen im Überblick.

(dpa)

Israel hat auf einen Raketenangriff aus dem Gazastreifen mit der bislang schärfsten militärischen Vergeltung seit dem Gaza-Krieg reagiert und mindestens fünf Palästinenser getötet. 32 weitere wurden teils schwer verletzt, teilten Sanitäter mit. Zuvor hatte eine Rakete im Süden Israels einen Schulbus getroffen, dabei gab es zwei Verletzte.

Israelische Truppen flogen daraufhin Luftangriffe, Panzer eröffneten daraufhin das Feuer über die Grenze. Unter den Opfern war nach palästinensischen Angaben ein 50-jähriger Zivilist, der vor seinem Haus tödlich getroffen wurde. Auch ein Polizist der radikalislamischen Hamas wurde getötet. Vier Menschen seien schwer verletzt worden, erklärten die palästinensischen Gesundheitsbehörden.

Unterdessen kam Israels neu entwickeltes Raketenabwehrsystem "Iron Dome" erstmals zum Einsatz. Zwei Geschosse palästinensischer Extremisten wurden abgeschossen, erklärte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Donnerstag.

(dapd/dpa)

Die Chancen für eine Wahlfreiheit bei den Kfz-Kennzeichen stehen nicht schlecht. Nachdem sich am Mittwoch schon die Länderverkehrsminister mehrheitlich für den Vorschlag Sachsens und Thüringens ausgesprochen hatten, zeigte sich am Donnerstag auch Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) aufgeschlossen. Er habe "Verständnis für solche Wünsche" und wolle sich "vom Grundsatz" nicht dagegen stellen, sagte Ramsauer. Wichtig sei ihm allerdings, dass dadurch kein zusätzlicher Verwaltungsaufwand entstehe.

Sachsen und Thüringen hatten vorgeschlagen, dass Autofahrer künftig selbst entscheiden können, ob sie die neuen oder die alten, vor der Kreisgebietsreform verwendeten Kennzeichen nutzen wollen. Die Begründung: Für viele Menschen sei das Autokennzeichen identitätsstiftend, außerdem würden einige Städte gerne mit ihrem alten Kennzeichen werben.

(dapd)

Beim Angriff eines Taliban-Selbstmordkommandos mit einem zur Bombe umgebauten Krankenwagen sind in der südafghanischen Stadt Kandahar mindestens zehn Menschen getötet worden - darunter die vier Angreifer sowie sechs Angehörige der Sicherheitskräfte. Ziel des Anschlags war ein Trainingsgelände der Polizei.

Nach Angaben eines Polizeisprechers sprengte sich zunächst einer der Selbstmordattentäter am Eingang des Geländes in die Luft. Zwei weitere Aufständische verschanzten sich in einem leerstehenden Gebäude. Von dort aus sollen sie das Feuer auf das benachbarte Gelände der Polizei eröffnet haben.

Sicherheitskräfte hatten das Haus umstellt, als sich in ihrer Nähe der vierte Aufständische in einem mit Sprengstoff gefüllten Krankenwagen in die Luft sprengte. Dabei seien insgesamt sechs Polizisten und Soldaten getötet worden.

Taliban-Sprecher Kari Jussif Ahmadi bestätigte, dass sich vier Aufständische an dem Angriff beteiligt hätten. Kandahar ist eine Hochburg der Taliban. Im Februar hatten fünf Taliban-Kämpfer das Polizei-Hauptquartier in der Stadt Kandahar angegriffen und 15 Polizisten, einen Soldaten und einen Zivilisten getötet. Im Januar war der Vize-Gouverneur der Provinz zum Opfer eines Selbstmordanschlags geworden.

(dapd)

Bundeskanzlerin Angela Merkel dringt auf schnelle Fortschritte im Nahost-Friedensprozess. Nach einem Treffen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in Berlin sagte sie, ein Ende des Verhandlungsstillstands sei "dringlicher denn je". Merkel nannte auch ein Datum: "Bis zum September 2011 sollten wichtige Fortschritte erzielt werden." Dabei verwies sie auf die Unruhen in der arabischen Welt.

Deutschland werde keiner einseitigen Anerkennung eines palästinensischen Staates zustimmen. Ziel des Friedensprozesses müsse eine Zwei-Staaten-Lösung sein, sagte Merkel. "Und deshalb sind einseitige Anerkennungen auf gar keinen Fall ein Beitrag dazu, diesem Ziel, was ich für unerlässlich halte, entgegenzukommen." Deutschland werde keiner einseitigen Anerkennung eines palästinensischen Staates zustimmen. Zugleich bekräftigte sie das "elementare Interesse" Deutschlands an Israels Sicherheit. Netanjahu erklärte ebenfalls, dass die Friedensgespräche wieder in Gang kommen müssten. Seine Regierung bemühe sich, neue Verhandlungen anzustoßen, sagte er.

Merkel ging auch auf eine der größten Sorgen von Israels Regierung ein: Eine mögliche nukleare Bewaffnung Irans. Das Nuklearprogramm des Landes stelle "mehr denn je eine Bedrohung dar". Es müsse alles getan werden zu verhindern, dass Iran in den Besitz von Atomwaffen komme.

(dpa/Reuters)

Die EU-Mitgliedstaaten wollen die Sammlung von Fluggastdaten für die Terrorfahndung massiv ausweiten. Wie Brüsseler Diplomaten der Financial Times Deutschland bestätigten, könnten die EU-Innenminister schon am Montag bei ihrem Treffen in Luxemburg vereinbaren, dass künftig auf innereuropäischen Flügen persönliche Daten mehrerer hundert Millionen Passagiere erfasst und den Sicherheitsbehörden zur Speicherung überlassen werden.

Bei den Plänen gehe es um sogenannte PNR-Daten - also etwa die Anschrift, Kreditkarten- und Telefonnummern, aber auch Angaben zu Vorlieben bei der Bordverpflegung. "Großbritannien, unterstützt durch eine substanzielle Anzahl Mitgliedsstaaten, hat sich dafür eingesetzt, PNR-Daten auch auf innereuropäischen Flügen zu sammeln", heißt es laut der Zeitung im Geheimprotokoll eines Vorbereitungstreffens.

Zwar werden die Daten von den Airlines bereits erfasst - allerdings nur in wenigen EU-Staaten und nur im Ausnahmefall an Fahnder weitergeleitet.

"Im Rat zeichnet sich eine Mehrheit für die Briten ab", sagte ein Verhandlungsteilnehmer. Mindestens 17 Staaten seien für den britischen Vorschlag, die Daten freiwillig auszutauschen und bis zu fünf Jahre lang zu speichern. Acht wollen das System sogar obligatorisch einführen. Dagegen seien bislang nur Deutschland, Österreich, Luxemburg, Malta und Slowenien. Sie könnten aber überstimmt werden.

(dapd)

Die chinesische Polizei hat mit den beiden Menschenrechtsaktivisten Ni Yulan und Dong Jiqin erneut zwei Dissidenten festgenommen. Die Tochter des Paars, Dong Beibei, berichtete der Deutschen Presse-Agentur (dpa), ihre Eltern seien aus ihrer Unterkunft abgeführt worden. Die Polizei habe sie selbst ebenfalls für zwei Stunden festgehalten und dann gehen lassen, ohne Gründe für die Verhaftung der Eltern zu nennen. Beide seien nicht mehr erreichbar - ihre Handys abgeschaltet.

Die Anwältin Ni war erst im April 2010 aus zweijähriger Haft entlassen worden, nachdem sie zweimal wegen der "Behinderung öffentlicher Angelegenheiten" verurteilt worden war. Sie hatte Familien rechtlich vertreten, die von Zwangsumsiedlungen betroffen waren. Im Gefängnis sei sie geschlagen und gefoltert worden, medizinische Hilfe habe man ihr verweigert, erzählte sie kürzlich der dpa. Seit ihrer Freilassung war sie auf Krücken und einen Rollstuhl angewiesen.

Erst am Sonntag war Chinas bekanntester Künstler Ai Weiwei in Peking festgenommen und an einen unbekannten Ort gebracht worden.

Seit Mitte Februar klagen internationale Menschenrechts-Organisationen über das "harte Durchgreifen" gegen Aktivisten, nachdem Unbekannte in Anlehnung an die Revolten in der arabischen Welt im Internet zu Kundgebungen gegen die Regierung aufgerufen hatten.

(dpa)

Verliert Ralf Stegner seinen Posten als Chef der Nord-SPD oder setzt er sich trotz aller Kritik wieder einmal durch? Die mit Hochspannung erwartete Entscheidung im Duell mit Ex-Justizminister Uwe Döring fällt beim Landesparteitag am Wochenende in Husum - Ausgang offen.

Landtagswahl-Spitzenkandidat Torsten Albig bekräftigte am Donnerstag seine Unterstützung für Fraktionschef Stegner, der seit 2007 die Landespartei führt. Die Konstellation erscheint paradox: Den Mitgliederentscheid über die Spitzenkandidatur zur Landtagswahl am 6. Mai nächsten Jahres hatte Stegner deutlich gegen Albig verloren, doch unmittelbar darauf verkündete dieser überraschend einen Schulterschluss mit seinem Ex-Rivalen.

Obwohl sich Albigs Kieler Kreisverband klar gegen Stegner ausgesprochen hat, bleibt Albig bei seinem Votum für ihn. Er habe sich nach einem sehr intensiven Nachdenkprozess für dieses "Signal des Händereichens" entschieden - und freue sich trotzdem über den Antritt Dörings.

(dpa)

Nach langem Streit haben Regierung und Opposition im Kosovo einen gemeinsamen Kandidaten für das Amt des Staatspräsidenten gefunden. Beide Seiten einigten sich auf den stellvertretenden Polizeichef Atifete Jahjaga als Kompromisskandidaten, wie Regierungschef Behgjet Pacolli in Pristina mitteilte. Damit scheint die schwere Verfassungskrise des jüngsten europäischen Staates abgewendet.

Ausgangspunkt für die Spannungen war die Absetzung von Präsident Behgjet Pacolli nach nur gut einem Monat im Amt durch das Verfassungsgericht gewesen. Die höchsten Richter hatten beanstandet, dass bei seiner Wahl am 22. Februar nicht die von der Verfassung vorgeschriebene Zahl von zwei Dritteln der Abgeordneten teilgenommen hatte.

Die Oppositionsvertreter hatten die Wahl des umstrittenen Geschäftsmannes und Milliardärs boykottiert, so dass das Quorum verfehlt wurde.

(dpa)

Saudi-Arabien und verbündete Golfstaaten wollen Jemens langjährigen Präsidenten Ali Abdullah Saleh zum Rücktritt bewegen. Wie aus Kreisen der Golfstaaten verlautete, soll mit dem autokratisch regierenden Staatschef eine entsprechende Verabredung ausgehandelt werden.

Saleh solle die Macht an einen Übergangsrat abgeben, in dem alle maßgeblichen politischen Parteien und Stämme vertreten seien, sagte eine mit dem Vorschlag vertraute Person. Der Rat werde für die Dauer von höchstens drei Monaten zusammentreten und den Weg für Wahlen ebnen.

Dieser Plan soll Saleh und seinen Gegnern zeitnah in Gesprächen in Saudi-Arabien vorgestellt werden. Das Vermittlungsangebot des Golf-Kooperationsrats hatte Saleh bereits angenommen, einen sofortigen Rücktritt bisher aber abgelehnt. Er hatte sich lediglich bereit gezeigt, nach den Parlaments- und Präsidentenwahlen Ende des Jahres zu gehen.

Saleh ist seit 32 Jahren an der Macht. Die Proteste im Jemen gegen den Präsidenten dauern an. Am Montag hatten Polizisten und Bewaffnete in Zivil in der Stadt Tais und in der Hafenstadt Hudaida 21 Menschen erschossen.

(Reuters)

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