Politik kompakt:Gabriel: "Regierung hat Öffentlichkeit belogen"

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Die Kritik der Opposition am Atomvertrag der schwarz-gelben Koalition wird schärfer: Der Deal beschädige die Demokratie und das Anstandsgefühl im Land. Kurzmeldungen im Überblick.

Im Streit um die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke hat SPD-Chef Siegmar Gabriel der Bundesregierung vorgeworfen, "die Öffentlichkeit belogen zu haben". Der unter Druck nunmehr veröffentlichte Vertrag mit der Atomwirtschaft offenbare, dass die alten Meiler entgegen den früheren Aussagen keinesfalls sicherer würden, sagte Gabriel. Durch die Deckelung der Investitionen in die Sicherheit müsse letztlich der Steuerzahler für die notwendigen Verbesserungen aufkommen.

"Der Vertrags-Deal der Regierung mit der Energiewirtschaft ist das Gegenteil von Parlamentarismus", sagte SPD-Chef Siegmar Gabriel. (Foto: dpa)

Damit werde zugleich auch das Atomgesetz unterlaufen. "Der Vertrags-Deal der Regierung mit der Energiewirtschaft ist das Gegenteil von Parlamentarismus", sagte Gabriel.

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast hat der Bundesregierung wegen des Vertrags mit der Atomwirtschaft Wortbruch vorgeworfen. Die Koalition sei einen "schmutzigen Deal" eingegangen, sagte Künast im Deutschlandradio Kultur. Die von der Regierung versprochenen Einnahmen von 2,3 Milliarden Euro durch die Brennelementesteuer fielen in Wahrheit niedriger aus. Sie warf der Koalition zudem vor, in den Atomvertrag Knebelungen für nachfolgende Regierungen eingebaut zu haben.

In dem von der Bundesregierung an diesem Donnerstag veröffentlichten Vertragstext wird den Betreibern der Atomkraftwerke Planungssicherheit über die Legislaturperiode hinaus zugesagt. Unter anderem sollen die Zahlungen der Industrie zugunsten erneuerbarer Energien gekürzt werden, wenn die Kosten für eine Nachrüstung aus Sicherheitsgründen mehr als 500 Millionen Euro pro Meiler betragen sollten oder die Brennelementesteuer über das Jahr 2016 hinaus verlängert wird.

Die SPD und die Grünen wollen eine Verfassungsklage gegen die Atomenergiekonzepte der Bundesregierung einreichen. Die Grünen stellen zudem den Kernkraftplänen der Bundesregierung ein eigenes Energiekonzept entgegen, das ohne Atom- und neue Kohlekraftwerke auskommt. Bei ihrer Klausur in Mainz verabschiedete die Grünen-Fraktion an diesem Freitag ein Papier, in dem das Ziel angegeben ist, die gesamte Energieversorgung in Deutschland bis 2050 CO2-frei zu machen.

Die Bundesregierung hat den Vorwurf zurückgewiesen, bei der umstrittenen Vereinbarung mit den Atomkonzernen sei getrickst worden. "Es gibt nun wirklich nichts zu verheimlichen", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin.

(Reuters/AFP/dpa/dapd)

Afghanistans Präsident Karsai will mit Taliban-Führer Friedensverhandlungen führen, im Kaukasus wurde wegen eines schweren Anschlags ein Trauertag ausgerufen: Lesen Sie auf den folgenden Seiten weitere Kurzmeldungen.

Der afghanische Präsident Hamid Karsai hat den Anführer der radikalislamischen Taliban, Mullah Mohammed Omar, zu Friedensverhandlungen aufgefordert. Die Regierung hoffe, dass er in den Friedensprozess eintrete sowie Anschlägen und der Gewalt gegen afghanische Männer, Frauen und Kinder abschwöre, sagte Karsai in Kabul.

Der afghanische Präsident hatte in der Vergangenheit wiederholt die 2001 durch US-geführte internationale Truppen von der Macht vertriebenen Radikalislamisten zu Verhandlungen aufgefordert. Erst am Wochenende kündigte Karsai die Einsetzung eines Rates für Friedensverhandlungen mit den Taliban an. Das Gremium soll die Verhandlungen vorbereiten. Die Taliban lehnen Verhandlungen jedoch ab, solange die Karsai stützenden internationalen Truppen noch im Land sind.

(AFP)

Die Opferzahl des Selbstmordanschlags in der Kaukasusrepublik Nordossetien ist auf 17 Tote gestiegen. Das teilte der nordossetische Gesundheitsminister Wladimir Seliwanow mit. Nach der Explosion am Eingang eines Marktes in der nordossetischen Hauptstadt Wladikawkas an diesem Donnerstag war zunächst von mindestens 16 Toten und mehr als 120 Verletzten die Rede gewesen. Ein Attentäter hatte sich in einem Auto in die Luft gesprengt.

Russlands Präsident Dmitri Medwedew kündigte ein hartes Vorgehen gegen die Attentäter an: "Wir dürfen mit den Banditen nicht lang fackeln, sie müssen vernichtet werden", sagte der Präsident in der russischen Stadt Jaroslawl.

Es war der schwerste Anschlag innerhalb der russischen Föderation seit dem doppelten Selbstmordanschlag auf die U-Bahn in Moskau mit 40 Toten im März. Für Freitag riefen die Behörden einen Trauertag in ganz Nordossetien aus.

(AFP/Reuters)

Das Terrornetzwerk al-Qaida hat mehr als 50 namentlich aufgelisteten Sicherheitskräften im Jemen öffentlich mit dem Tode gedroht. Wie die Behörden mitteilten, wurde auf dem Marktplatz von Sindschibar eine Liste von al-Qaida mit den Namen von 55 Sicherheitsbeamten in der südlichen Provinz Abian verteilt. Sie seien "ein legitimes Ziel" von Anschlägen.

Das Terrornetzwerk forderte in den Flugblättern die genannten Polizisten auf, "in der Moschee von Sindschibar nach dem wöchentlichen Freitagsgebet Reue zu zeigen". Andernfalls würden sie zur Strafe umgebracht. Für die Echtheit der Drohbotschaft gab es keine unabhängige Bestätigung.

(AFP)

Der Berliner Ex-CDU-Abgeordnete René Stadtkewitz will bis Ende des Jahres mit zwei Mitstreitern eine neue Partei "Die Freiheit" gründen. Der 45-Jährige begründete diesen Schritt mit seinem Ausschluss aus der CDU-Fraktion und der "Hetzjagd" auf Ex- Bundesbanker Thilo Sarrazin (SPD) bei abweichenden Meinungen. "Das Volk will den erhobenen Zeigefinger der Politik nicht mehr", sagte der radikale Islamkritiker am Freitag auf einer völlig überfüllten Pressekonferenz in Berlin. Sein Ziel sei es, mit der Partei bei der Abgeordnetenhauswahl 2011 anzutreten und "mindestens die Fünf- Prozent-Hürde zu knacken". Später soll sie bundesweit agieren.

(dpa)

Im Bistum Aachen gibt es deutlich mehr Verdachtsfälle sexuellen Missbrauchs durch Priester als bisher angenommen. 24 Priester sollen sich im Bistum Aachen in den letzten 65 Jahren an Kindern und Jugendlichen vergangen haben. Bis zu der Aufklärungs-Offensive der Kirche waren nur acht strafrechtlich relevante Fälle bekannt, wie das Bistum an diesem Freitag mitteilte. Von den 24 Priestern leben noch acht.

Diese vorläufige Bilanz teilte Bischof Heinrich Mussinghoff den Pfarren seines Bistums in einem Brief mit. Darin bittet er die Opfer und die Familien um Entschuldigung, "für das Leid und den Schaden", die durch den sexuellen Missbrauch entstanden seien.

(dpa)

Serbien hat sich in der UN-Vollversammlung mit seiner Forderung nach neuen Verhandlungen über den Status des Kosovos nicht durchsetzen können. Nach einer langen Debatte verabschiedeten die Mitgliedsländer am Donnerstag eine abgeschwächte Resolution per Akklamation, in der das Gutachten des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag anerkannt wird.

Dieser hatte befunden, dass die Unabhängigkeitserklärung des Kosovos 2008 rechtens war. Zuvor hatte Serbien einen Resolutionsentwurf eingebracht, in dem die einseitige Abspaltung des Kosovos als der falsche Weg bezeichnet wurde, um Souveränität zu erlangen oder Gebietskonflikte zu lösen. Die Europäische Union forderte Serbien auf, den Entwurf zurückzuziehen und sich stattdessen auf die Aussichten auf eine EU-Mitgliedschaft zu konzentrieren.

(dapd)

In dem maroden Versuchsendlager Asse II bei Wolfenbüttel ist in den 70er Jahren das Zehnfache der bislang vermuteten Menge an mittelradioaktivem Müll eingelagert worden. Das geht aus einem neuen Inventarbericht des früheren Betreibers Helmholtz-Zentrum hervor, wie eine Sprecherin des niedersächsischen Umweltministeriums an diesem Freitag in Hannover sagte. Sie bestätigte damit einen Bericht der Braunschweiger Zeitung.

Insgesamt wurden in dem einsturzgefährdeten ehemaligen Salzbergwerk zwischen 1967 und 1978 rund 126.000 Fässer mit schwach- und mittelaktivem Atommüll deponiert. Bislang gingen die Verantwortlichen davon aus, dass 1300 dieser Fässer mittelradioaktivem Müll enthalten.

(AFP)

© sueddeutsche.de/dpa/Reuters/dapd/AFP/lama - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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