Polen:Mit Liebe - und Sinn fürs Geschäft

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Lobte den Widerstandsgeist der Polen: US-Präsident Donald Trump bei seiner Rede in Warschau. (Foto: Laszlo Balogh/Reuters)

Donald Trump demonstriert in Warschau den begeisterten Polen, wie verbunden sich die Amerikaner fühlen. Doch auch die USA haben Erwartungen.

Von Daniel Brössler und Florian Hassel, Warschau

Am Ende ist es doch überall dasselbe. Eben hat ein Journalist Donald Trump gefragt, wie er findet, dass die Sache mit dem Wrestling-Video gelaufen ist. Trump hatte das Filmchen weitergetwittert, das ihm beim Verprügeln eines Mannes zeigt, dessen Gesicht mit dem CNN-Logo verziert worden ist. CNN habe das zu ernst genommen, befindet Trump. "Sie waren sehr lange Fake News, sehr unanständig", erläutert er dann, um sich schließlich seinem Gastgeber, dem Polen Andrzej Duda zuzuwenden. "Haben Sie so etwas auch, Herr Präsident?"

Natürlich hat der Präsident das auch. Es gebe da viele Parallelen, sekundiert Duda. Kürzlich erst habe ein polnischer Fernsehsender kein Wort über seinen wichtigen Besuch in Kroatien verloren. "Ich bin permanenter Kritik ausgesetzt", klagt er und verkündet: "Wir respektieren die Freiheit der Medien außerordentlich." Und wie hatte Trump eben gesagt: "Was wir in den Vereinigten Staaten sehen wollen, ist eine ehrliche, wunderschön freie, aber ehrliche Presse." Man versteht sich und zeigt es auch. Das ist der Sinn der Visite. Erst ein Besuch bei Freunden, dann weiter nach Hamburg.

Aus ganz Polen ließ die Regierungspartei ihre Anhänger in die Hauptstadt kommen

Für Polens rechtsgerichtete Regierung war der Abstecher auf dem Weg zum G-20-Gipfel ein Coup. Sie liegt über Kreuz mit der EU-Kommission und vielen Regierungen in Westeuropa. Trumps Besuch sollte zeigen: Wir sind nicht allein. Die Strategen des US-Präsidenten verfolgten ein fast identisches Ziel. Trumps "America first"-Slogan sollte einen Zusatz bekommen: Amerika zuerst, aber nicht allein.

Als Image-Botschafterin ihres Gatten darf am Mahnmal für den Warschauer Aufstand zunächst Melania Trump diesen Gedanken übermitteln: "Wie viele von Ihnen wissen, ist ein Hauptanliegen der Präsidentschaft meines Mannes die Sicherheit und der Schutz des amerikanischen Volkes." Ein Leben ohne Angst sei ihr Wunsch "für uns alle rund um die Welt".

Trump hält dann eine Ansprache, die als Liebeserklärung an Polen ("Amerika liebt Polen") startet und kaum 40 Minuten später als Durchhalterede an den Westen enden wird, den er als Zivilisation im Überlebenskampf gegen Terroristen und andere Feinde schildert. Auch da treffen sich die Interessen in Washington und Warschau. In Europa mag Jarosław Kaczyński, Polens starker Mann, als reaktionärer Feind kritischer Medien und unabhängiger Justiz gelten. Während aber Trump spricht, sitzt er in der ersten Reihe und darf sich bestätigt fühlen. Aus ganz Polen hatte die Regierungspartei Pis Anhänger nach Warschau bringen lassen, um den US-Präsidenten ein möglichst enthusiastisches Publikum zu bieten. Katholische Pfarrer hatten sogar in Gottesdiensten dazu aufgerufen. Allein aus dem westpolnischen Breslau schickte die Regierung sieben Busse mit Anhängern zur Trump-Rede. Damit sich der Abstecher nach Warschau über die Trump-Rede hinaus lohnt, gibt es im Anschluss ein "Polnisch-Amerikanisches Militärpicknick" im Warschauer Fußballstadion - bezahlt von Polens staatlicher Lottogesellschaft und anderen Staatsfirmen.

Aber auch Trump gibt sich Mühe. In seiner Rede lässt er tausend Jahre polnischer Geschichte Revue passieren, lobt den Widerstandsgeist der Polen, würdigt, was sie erduldet haben unter Nazis und Sowjets. Die "Seele Europas" nennt er sie. "Ihr habt gewonnen", ruft Trump. "Polen hat obsiegt. Polen wird immer obsiegen." Immer wieder wird Trumps Rede von Jubelchören unterbrochen. Es dauert eine Weile, bis er auf den Punkt zu sprechen kommt, auf den nicht nur in Polen, sondern auch in anderen Teilen Mittel- und Osteuropas viele warten. Beim Brüsseler Nato-Gipfel im Mai hatte Trump die Verbündeten als säumige Schuldner abgekanzelt und war selbst ein Bekenntnis zur Beistandsklausel in Artikel 5 des Nato-Vertrages schuldig geblieben. Bei einer Pressekonferenz mit dem rumänischen Präsidenten Klaus Johannis hatte er das schnoddrig nachgeholt, aber so richtig zählte das nicht.

Nun hält Trump den Zeitpunkt für gekommen. Er preist das Beispiel, das Polen setze, weil es das Zwei-Prozent-Ziel der Nato erfüllt, also zwei Prozent der Wirtschaftskraft für Verteidigung ausgibt. Und er verweist auf mehr als 5000 US-Soldaten, die in Polen Dienst tun. Er übt - auch das ist in Warschau wichtig - Kritik am Vorgehen Russlands in der Ukraine. "Die Amerikaner wissen, dass eine starke Allianz freier, starker und unabhängiger Nationen die beste Verteidigung unserer Freiheiten und unserer Interessen ist", ruft er schließlich. Deshalb habe er ja verlangt, dass alle ihren "vollen und fairen Anteil" zahlten. "Milliarden und Milliarden" würden nun deshalb fließen. Und Artikel 5? "Die USA haben nicht nur mit Worten, sondern mit Taten demonstriert, dass wir entschlossen zu Artikel 5 stehen, die gegenseitige Beistandsverpflichtung", sagt Trump. Europa aber müsse mehr tun, und da sei es gut, dass Polen gerade erst Patriot-Raketen in den USA bestellt habe.

Verteidigung sei nicht nur eine Frage des Geldes, sondern auch des Willens, sagt Trump

Sicherheit und Geschäft, für Trump gehört das zusammen. Die Vereinigten Staaten bietet er als maßgeblichen neuen Gaslieferanten nach Europa an. "Wir werden große Energieexporteure. Was immer Sie an Energie brauchen - ein Anruf genügt", sagte Trump den Präsidenten der zwölf auf der Konferenz der Drei-Meeres-Initiative vertretenen EU-Länder. "Die USA werden Energie nie nutzen, um sie unter Druck zu setzen - und wir können anderen Nationen nicht erlauben, dies zu tun", sagt Trump mit einem Seitenhieb auf Russland, das Zentral- und Osteuropa bisher mit Erdgas versorgt. Der US-Präsident gratuliert Polen zur ersten Ankunft eines US-Schiffes mit verflüssigtem Erdgas Anfang Juni und er kündigt an: "Es werden noch viel mehr Schiffe kommen."

Bloß als Geschäftemacher aber will Trump nicht dastehen. Verteidigung sei nicht nur eine Frage des Geldes, sondern des Willens, sagt er. "Die Verteidigung des Westens", das zeige das polnische Beispiel, hänge von ebendiesem Willen ab. "Die fundamentale Frage unserer Zeit ist, ob der Westen den Willen hat zu überleben. Haben wird das nötige Vertrauen in unsere Werte, um sie um jeden Preis zu verteidigen?" Die stärksten Volkswirtschaften, die tödlichsten Massenvernichtungswaffen reichten dafür nicht aus. "Wenn wir keine starken Familien haben, werden wir schwach sein und wir werden nicht überleben", gipfelt Trumps Rede. Ein Herr in der ersten Reihe wird am Ende sehr begeistert klatschen. Es ist Jarosław Kaczyński.

© SZ vom 07.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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