Polen:Kaczyński geißelt die EU

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Jarosław Kaczyński, der Chef der polnischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) greift die Europäische Union wegen ihrer Untersuchungen zur Rechtsstaatlichkeit scharf an.

Der Vorsitzende der polnischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), Jaroslaw Kaczynski, hat die EU-Untersuchungen über die Rechtsstaatlichkeit in Polen als "absolute Komödie" bezeichnet. Die Kritik, dass Polen auf einen autoritären Kurs zusteuere, wies Kaczynski in einem Interview der Nachrichtenagentur Reuters zurück. Es geschehe nichts in Polen, was dem Recht widerspreche, sagte er. "Lasst sie (ihre Untersuchung) beginnen", sagte er zu der EU-Entscheidung.

Theoretisch könnte Polen das Stimmrecht in der EU entzogen werden, wenn infolge der Untersuchung alle anderen EU-Mitglieder dafür stimmen. Praktisch ist dies unwahrscheinlich, da Ungarn, das selbst wegen autoritärer Tendenzen in der Kritik steht, ein Veto angekündigt hat. Die Kritiker der polnischen Regierung werfen ihr vor, mit der Reform des Verfassungsgerichts dessen Unabhängigkeit einzuschränken. Außerdem greife die Regierung in die Pressefreiheit ein. Kaczynski sagte, die Maßnahmen seien nötig, um eine Blockade der Regierungspolitik zu verhindern, die die Schaffung einer gerechteren Wirtschaft zum Ziel habe. Die Versuche der PiS, mehr Kontrolle über Wirtschaft und staatliche Institutionen zu erlangen, führte bereits zu einer Herabstufung der Kreditwürdigkeit des Landes durch die Ratingagentur Standard and Poor's. Kaczynski sagte dazu, er nehme ein etwas geringeres Wirtschaftswachstum in Kauf, wenn dies der Preis dafür sei, seine Visionen durchzusetzen. "Diesen Preis können wir zahlen, denn die frühere Wirtschaftspolitik hat uns jedes Jahr Dutzende Milliarden Zloty gekostet." Polen ist als einziges EU-Land nach der Finanzkrise 2008 nicht in eine Rezession gerutscht. Viele Polen beklagen aber, dass ihr Lebensstandard stagniert.

Kaczynski wirft den Ex-Regierungen vor, den Unternehmen einen Missbrauch der Mehrwertsteuer-Regeln erlaubt und gleichzeitig die ärmere Bevölkerung vernachlässigt zu haben. Man habe gesagt, "du musst sehr arm sein, damit sich die polnische Wirtschaft entwickeln kann, denn wir müssen sehr reich sein, damit wir investieren können". Der Staat müsse sich aber um die ganze Gesellschaft kümmern.

Er hat keine hohen staatlichen Ämter inne, kokettiert aber mit seiner Rolle als graue Eminenz. In Andrzej Duda und Beata Szydlo wählte Kaczynski zwei zuvor kaum in Erscheinung getretene Parteifunktionäre für die Posten des Präsidenten und der Ministerpräsidentin. "In der politischen Sphäre kann man sagen, ich habe eine ernsthafte Autorität."

© SZ vom 23.12.2016 / Reuters - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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