Polen:Im Unrecht

Die Regierung stellt sich selbst außerhalb der EU.

Von Stefan Ulrich

Polens Regierung hat eine günstige Zeit für ihren kalten Coup erwischt. Während der Streit über die Flüchtlingspolitik alle Kraft Europas absorbiert, zertrümmern die Nationalisten in Warschau den eigenen Verfassungsstaat. Sie zerhacken eine der drei Säulen, auf der er ruht - die Justiz - und bringen das ganze Gebäude zum Einsturz. Denn ein Staat ohne unabhängige und wirksame rechtliche Kontrolle ist kein Rechtsstaat mehr. Indem die polnische Regierung das Verfassungsgericht missachtet und verleumdet, stellt sie sich über das Recht und somit ins Unrecht.

Das sehen nicht nur die polnische Opposition und viele polnische Bürger so, sondern auch die Venedig-Kommission des Europarats, ein unabhängiges Gremium von Verfassungsexperten, das von der polnischen Regierung selbst um ein Gutachten gebeten worden ist. Darin kommt die Kommission jetzt zu dem Ergebnis, das neue, von der Regierungsmehrheit durchgesetzte Verfassungsgerichtsgesetz mache das höchste Gericht des Landes wirkungslos. Dies gefährde die Demokratie und die Menschenrechte.

Klarer geht es kaum. Nun ist die EU am Zug. Für diplomatische Geplänkel ist die Lage zu ernst. Wer den Rechtsstaat abschafft, stellt sich selbst außerhalb der Europäischen Union. Die EU kann zwar niemanden hinauswerfen, aber einem Land das Stimmrecht entziehen. Dabei ist stets klarzustellen: Die Polen sind Europa weiterhin willkommen. Doch diese polnische Regierung ist es nicht.

© SZ vom 12.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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