Polen:Der Favorit  liegt hinten

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Überraschend liegt bei der Präsidentenwahl nicht der in Umfragen überlegene Amtsinhaber Komorowski in Führung, sondern der Oppositionskandidat Andrzej Duda. Nun kommt es zur Stichwahl am 24. Mai.

Von Florian Hassel, Warschau

Der Oppositionskandidat Andrzej Duda hat bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahl in Polen überraschend Amtsinhaber Bronisław Komorowski geschlagen. Duda, Kandidat der oppositionellen Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS), sammelte nach einer Wählerbefragung des Ipsos-Institutes 34,8 Prozent der Stimmen ein; Komorowski, der aus der regierenden Bürgerplattform (PO) kommt, kam nur auf 32,2 Prozent der Stimmen. Duda schnitt damit erheblich besser ab als vorausgesagt, Komorowski erheblich schlechter. Weil indes auch Duda weit unter der für einen direkten Sieg notwendigen absoluten Mehrheit gelandet ist, gehen Duda und Komorowski am 24. Mai in die Stichwahl.

Ein amtliches Wahlergebnis liegt erst am Dienstag vor. Der Präsident bestimmt in Polen nicht nur die Außenpolitik mit, sondern kann eigene Gesetzentwürfe einbringen sowie beschlossene Gesetze per Veto verhindern. Zudem ist er Oberbefehlshaber der Streitkräfte.

Dass Komorowski nur Platz Zwei belegt, ist nicht die einzige Überraschung. Auf den dritten Platz kam mit 20,3 Prozent der Stimmen Paweł Kukiz, Ex-Rocker und zuvor Mitglied der Punkgruppe "Brüste". Kukiz hatte sich als Anti-Establishment-Kandidat positioniert. Die restlichen acht Kandidaten blieben chancenlos. Die Wahlbeteiligung war mit nur 49,4 Prozent die niedrigste seit Ende des Kommunismus.

Noch im Februar führte Amtsinhaber Komorowski, 62 Jahre alt, ehemaliger Parlamentarier, Verteidigungsminister und Parlamentspräsident, in allen Umfragen scheinbar uneinholbar. In den letzten Wochen aber holte vor allem der 42 Jahre alte Jurist und heutige Europaparlamentarier Duda stark auf. Der Kandidat der von den Kacyznski-Brüdern gegründeten PiS-Partei trat im Wahlkampf mit populistischen Vorschlägen in Erscheinung - wie dem, als Präsident werde er umgehend ein Gesetz im Parlament einbringen, um das erst vor wenigen Jahren erhöhte Rentenalter wieder zu senken. Duda setzte sich auch gegen künstliche Befruchtung ein.

Komorowski dagegen führt zwar die Ranglisten derjenigen Politiker an, denen Polen vertrauen, er gilt aber auch als langweilig. Er setzte im Zeichen der Ukraine-Krise auf Sicherheitsthemen. Allein in der Woche vor der Wahl besuchte er eine Waffenfabrik und ein in einem polnischen Hafen eingelaufenes US-Kriegsschiff und erinnerte bei mehreren Zeremonien zum 70. Jahrestag des Kriegsendes an die Ukrainekrise. Komorowski gab sich als überparteilicher Staatsmann und nahm nicht an Fernsehdebatten mit anderen Kandidaten teil- eine Strategie, die aber offenbar nicht aufging.

© SZ vom 11.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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