Polen:Absturz in die Schlammschlacht

Die regierende Bürgerplattform agiert im Wahlkampf nur noch desolat.

Von Florian Hassel

Verzweifelt wirkt der Befreiungsschlag, den die polnische Ministerpräsidentin Ewa Kopacz nach dem Wiederhochkochen eines Abhörskandals mit dem Rauswurf von acht Ministern und hohen Beamten versucht. Noch vor ein paar Monaten schien die Premierministerin mit ihrer regierenden Bürgerplattform-Partei fast unangreifbar zu sein. Doch dann wählten die Polen Kopacz' Verbündeten, den Staatspräsidenten Bronisław Komorowski, ab. Zudem gaben sie viele Stimmen einem Protestkandidaten, um zu signalisieren, dass ihnen die Regierung nicht mehr passt.

Seitdem macht die Bürgerplattform einen desolaten Eindruck. Dass im Internet nun, zu Beginn des Wahlkampfs für eine im Oktober anstehende Parlamentswahl, Ermittlungsakten der Generalstaatsanwaltschaft zu einem Abhörskandal veröffentlicht werden, führt den Polen den zweifelhaften Zustand von zentralen Institutionen vor Augen. Es erinnert sie auch daran, dass die Regierung sie ein Jahr nach Ausbruch des Skandals noch nicht über die Hintergründe aufgeklärt hat.

Gleichwohl gäbe es wichtigere Themen: Polen hat zwar eine wachsende Wirtschaft, aber die Gesellschaft altert und die Ungleichheit nimmt zu. Dies würde eine seriöse Auseinandersetzung verdienen. Der neue Skandal deutet an, dass es bis zum Wahltag selten um Sachfragen gehen wird - und oft um die besten Untergriffe in einer Schlammschlacht.

© SZ vom 12.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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