Pierre Moscovici:Bock und Gärtner

Währungskommissar lehnt Stabilitätspakt ab - geht nicht.

Von Claus Hulverscheidt

Spitzenpolitiker haben - von den wenigen Quereinsteigern abgesehen- fast immer eine Vergangenheit als Parteimenschen. Sie gehören einem Netzwerk oder Flügel an und haben oft über Jahrzehnte für dessen Überzeugungen gestritten. Das Recht auf einen eigenen Standpunkt endet auch nicht in dem Moment, in dem der Politiker ein führendes Amt übernimmt - es wandelt sich aber: Es wird fortan ergänzt um die Pflicht, das große Ganze im Blick zu behalten.

Gegen diese Pflicht hat EU-Währungskommissar Pierre Moscovici verstoßen, als er ein Papier seiner Sozialistischen Partei unterschrieb, in dem der europäische Stabilitätspakt praktisch aufgekündigt wird - jener Pakt also, dessen Einhaltung der Franzose von Amts wegen überwachen soll. Wie will Moscovici einer Regierung, die den Vertrag bricht, jemals wieder mit Autorität entgegentreten, wenn nachzulesen ist, dass er die Regeln gern "geschmeidiger" auslegen würde?

Der Stabilitätspakt ist nicht die Bibel. Er kann verbessert und an neue Entwicklungen angepasst werden. Wenn Moscovici meint, dass das notwendig ist, dann soll er ein Konzept entwerfen und beim EU-Parlament und unter den 28 Regierungschefs um Zustimmung werben. Solange er das nicht tut, spielt er nur denjenigen in die Hände, die ihn als gescheiterten französischen Haushaltssanierer ohnehin für eine Fehlbesetzung im Amt des obersten EU-Stabilitätswächters halten.

© SZ vom 04.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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