Pflege-TÜV:Alarm im Altersheim

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Schulnoten für medizinische Versorgung und soziale Betreuung: Bei der Heimauswahl fühlen sich viele so hilflos wie diejenigen, um deren Unterbringung es geht. Der Pflege-TÜV soll das jetzt ändern.

Charlotte Frank

Seine Eltern ins Heim zu geben, ist eine schwere Entscheidung. Schwer, weil es schmerzt, einen geliebten Menschen abzugeben; schwer aber auch, weil viele gar nicht wissen, nach welchen Kriterien sie sich entscheiden sollen: Welche Einrichtung ist gut, welche schlecht? Bei der Auswahl des Heims fühlen sich viele so hilflos wie diejenigen, um deren Unterbringung sie sich gerade bemühen.

Stichprobenartig sollen fünf bis 15 Prozent aller Heimbewohner ab heute überprüft werden, spätestens 2011 sollen Angehörige Beurteilung auf der Webseite ihrer Krankenkasse finden können. (Foto: Foto: ddp)

Das soll sich nun ändern - durch Schulnoten für die Heime, an denen sich Familien orientieren können. Von diesem Mittwoch an schwärmen bundesweit Kontrolleure der Medizinischen Dienste der Krankenversicherungen (MDK) aus, um die Heime einem "Pflege-TÜV" zu unterziehen: Stichprobenartig sollen fünf bis 15 Prozent aller Heimbewohner überprüft werden, 82 Kriterien sollen in die Bewertung einfließen. Schon im Spätsommer ist geplant, die ersten Ergebnisse im Internet zu veröffentlichen. Bis alle Heime begutachtet sind, werden jedoch noch mehrere Jahre vergehen.

Spätestens 2011 aber sollen Angehörige zu fast allen Heimen eine leicht verständliche Beurteilung auf der Webseite ihrer Krankenkasse finden können. Vorgesehen ist eine Maske, in der die Gesamtnote zu sehen ist, daneben die Bewertungen der vier großen Bereiche, aus denen sich diese Gesamtnote ergibt: "Pflege und medizinische Versorgung", "Umgang mit demenzkranken Bewohnern", "Soziale Betreuung und Alltagsgestaltung" sowie "Wohnen, Versorgung, Hauswirtschaft und Hygiene".

Im Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) hofft man, dass die Heime künftig durch den unmittelbaren Vergleich stärker um die besten Plätze konkurrieren. "Die Qualität wird sich verbessern", glaubt Klaus-Dieter Voß aus dem GKV-Vorstand.

Um die schlechten Einrichtungen auch wirklich zu erwischen, wurde das Prüfkonzept Mitte Juni noch in letzter Minute ergänzt: Zwar wird nur etwa jeder zehnte Heimbewohner geprüft - doch wenn sich am Rande dieser Stichproben Hinweise auf Beschwerden ergeben, müssen die Kontrolleure diesen Fällen gesondert nachgehen und sie dokumentieren. "Damit vermeiden wir, dass am Ende ein schlechtes Heim ungerechtfertigt eine gute Note bekommt", erklärt Voß.

Kritiker sind trotz dieser Nachbesserungen nicht überzeugt vom Pflege-TÜV. "Nach meiner Auffassung wird es künftig in Deutschland auf dem Papier keine mangelhaften Einrichtungen mehr geben", sagte zum Beispiel der Chef des MDK-Rheinland Pfalz, Gundo Zieres, schon im Februar. Ihn stört vor allem, dass die Kriterien nicht gewichtet sind. So könne ein falscher Umgang mit Medikamenten durch regelmäßige Mitarbeiterschulungen ausgeglichen werden.

Um dieses Problem zu lösen, fordern Experten wie Zieres bestimmte Kriterien, deren Bewertung mit der Note "mangelhaft" automatisch zu einer mangelhaften Gesamtnote des Heims führen würde. Das gilt zum Beispiel für Mängel bei der Flüssigkeitsversorgung oder wenn ein Haus zu viele Bewohner mit Magensonde hat. Der Pflegelobbyist Claus Fussek erklärt das so: "Wenn ein Auto beim TÜV kaputte Bremsen hat, darf es nicht einmal mehr auf den nächsten Parkplatz rollen. Dann ist Schluss. So muss es auch bei der Pflege sein."

Solange dies nicht gewährleistet ist, betrachtet er den Pflege-TÜV vor allem als Ablenkungsmanöver. "Man weiß seit Jahren, wie schlecht die Bedingungen in der Pflege sind. Doch anstatt die zu verbessern, wird jetzt die halbe Landschaft mit Zertifikaten überzogen", sagt er.

© SZ vom 30.06.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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