Peking und Pjöngjang:Sozialismus verbindet

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Chinas Außenminister Wang Yi (li.) mit seinem nordkoreanischen Kollegen. (Foto: Kim Won-Jin/AFP)

Aus Sorge vor den USA unterhält China seit Jahrzehnten enge Kontakte zu seinem Nachbarn. Die Nachrichtenagentur Xinhua darf sogar ein eigenes Büro in dem hermetisch abgeriegelten Land unterhalten.

Von Christoph Giesen

Nordkorea und China sind sich nah, wie "die Lippe zu den Zähnen", so formulierte es einst Premier Zhou Enlai, Mao Zedongs außenpolitischer Vordenker. Offiziell gilt diese Metapher noch immer, in der Realität ist sie aber längst gesundem Pragmatismus gewichen. Peking stützt Pjöngjang vor allem, um einen Kollaps des Landes zu verhindern, da im Falle einer koreanischen Wiedervereinigung sonst amerikanische Truppen am Grenzfluss Yalu stünden - für chinesische Generäle eine Horrorvision. Dennoch oder aber auch gerade deshalb, weiß wohl niemand so viel über Nordkorea und seinen Diktator Kim Jong-un, wie die Beamten in Peking. Die Kanäle, um an Informationen zu gelangen, sind vielfältig.

Bis in die höchsten Parteiämter sind Koreanisten vertreten. Der Doyen ist Zhang Dejiang. Der 71-Jährige war bis zu seiner Pensionierung vor wenigen Wochen Vorsitzender des Nationalen Volkskongresses. Außerdem saß er im Ständigen Ausschuss des Politbüros, Chinas Machtzentrale. Zhang hat in den Sechzigerjahren an der Kim-Il-sung-Universität studiert.

Die größte Auslandsvertretung in Pjöngjang ist die chinesische Botschaft

Die mit Abstand größte Auslandsvertretung in Pjöngjang ist die chinesische Botschaft. Sie liegt im Unterschied zu den meisten anderen Vertretungen nicht im hermetisch abgeschotteten Botschaftsbezirk, zu dem nur Ausländer und Nordkoreaner mit Passierschein Zutritt haben, sondern mitten in der Stadt. Wenn die Mächtigen in Pjöngjang den chinesischen Botschafter sprechen wollen, können sie das unbemerkt tun. Außerdem unterhält Chinas amtliche Nachrichtenagentur ein Büro in Pjöngjang. Lange Zeit war Xinhua das einzige ausländische Medium mit einer Repräsentanz in Nordkorea. Inzwischen haben die Agenturen AP und AFP die Erlaubnis, regelmäßig zu penibel choreografierten Recherchetouren einzureisen. Der Zugang von Xinhua ist aber einmalig. Und dann ist da noch die Wirtschaft: Etwa 90 Prozent des Handels, den Nordkorea betreibt, wird über China abgewickelt. Die größten Investoren stammen allesamt aus dem Nachbarland. Da lassen sich Informationen abschöpfen.

Die größte Stärke des chinesischen Apparats ist jedoch die Erfahrung. Nordkorea ist vielleicht am ehesten mit dem China der Siebzigerjahre zu vergleichen - als in der Volksrepublik die Kulturrevolution wütete: China war ein vom Rest der Welt völlig abgekapseltes Land, so wie aktuell Nordkorea. Die Chinesen zwangsverehrten Mao Zedong, ähnlich dem Führerkult der Kims. Und wirtschaftlich ging es China damals wie Nordkorea heute, das System stand kurz vor dem Zusammenbruch. Wer Kim Jong-un und sein Land verstehen möchte, dem hilft es, selbst in einem autoritären System gelebt zu haben. Die besten Kenner Nordkoreas haben fast alle Sozialismus-Biografien.

Das gilt auch für chinesische Wissenschaftler. Einige von ihnen äußern sich regelmäßig in Interviews. Wie gut ihre Zugänge noch sind, ist allerdings fraglich. Einer der meistzitierten chinesischen Fachleute etwa verbreitete bis vor wenigen Tagen eifrig, dass die Gespräche zwischen US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber in der mongolischen Hauptstadt Ulan Bator stattfinden werden. Bis Trump twitterte: Der Gipfel steigt in Singapur.

© SZ vom 14.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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