Parteitag der US-Demokraten:Ein Herz für Hillary

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Wie der einstige US-Präsident Bill Clinton mit einer rührenden Rede versucht, seine Ehefrau Hillary als liebenswerte Kandidatin des Wandels und der Zukunft darzustellen.

Von Hubert Wetzel

Mit dieser Rede hätte Bill Clinton wohl auch einen Anrufbeantworter zu Tränen rühren können. Er begann mit einem einfachen Satz: "Im Frühling 1971 traf ich ein Mädchen." Und er endete mit einem leidenschaftlichen Appell an Amerika, seine Frau zur Präsidentin der Vereinigten Staaten zu wählen. "Eure Kinder und Enkel werden euch dafür segnen", versprach er. Dazwischen lag eine Dreiviertelstunde, in der Bill seinen Mitbürgern erzählte, warum er Hillary liebt, dass sie seine beste Freundin sei in guten Tagen und in schlechten, wie sie sein Leben besser gemacht habe und - immerhin redete er auf dem Wahlparteitag der Demokraten - wie sie als Präsidentin das Leben aller Amerikaner besser machen werde.

Nein, Bill Clinton erwähnte Monica Lewinsky nicht, die Frau, mit der er einst eine Affäre hatte. Und ja, Bill Clinton ist alt geworden. Seine Hände zitterten ein wenig, während er sprach, seine Stimme klang manchmal brüchig, aber das kann auch daran gelegen haben, dass Bill von seiner Rede kaum weniger ergriffen war als die meisten Zuhörer. Doch Bill Clinton ist immer noch ein Meister der Rhetorik, eine ganz andere Liga als etwa ein Mann wie Donald Trump, der vorige Woche in Cleveland mehr als eine Stunde lang auf die Parteitagsbesucher einschrie.

Und Bill Clinton wäre nicht Bill Clinton, hätte er in seiner Liebeserklärung nicht auch eine harte politische Botschaft verpackt. Der Zweck der Rede war es, den Amerikanern Hillary neu zu erklären, von der die meisten Wähler keine gute Meinung haben. Bill trat als Charakterzeuge für seine Frau auf, in der viele Bürger eine kalte, macht- und geldgierige Streberin sehen; er hingegen beschrieb sie, unterfüttert mit allerlei Persönlichem, als aufmerksame, besorgte, unermüdliche Kämpferin für die Schwachen. Das, so Bill, sei "die echte" Hillary, alles andere nur eine Karikatur, eine Erfindung der Republikaner.

Bills Rede am Dienstagabend - perfekt in jene Stunde zwischen 22 und 23 Uhr eingepasst, in der die großen US-Fernsehsender live vom Parteitag berichten - war sozusagen Teil eins der Neuerfindung von Hillary Clinton: Ein Ehemann, der als Altpräsident immer noch enorm populär ist, versicherte der Nation, dass seine Frau ein gutes Herz hat.

Die Kandidatin habe ein gutes Herz, so eine der Hauptbotschaften der Rede

Bill Clinton legte aber auch ein Fundament, auf dem am Mittwoch Präsident Barack Obama seine Parteitagsrede aufbauen konnte. Das war Teil zwei der Neuerfindung: In den Augen vieler Wähler steht Hillary Clinton für den Status quo. Sie selbst betonte bisher oft, dass sie in unruhiger Zeit die Kandidatin der ruhigen Hand sei. Dass der Status quo ein Desaster ist und Hillary in Amerika nichts ändern wolle und werde, ist jedoch auch eines der Hauptargumente der Republikaner gegen sie.

Clinton setzte dagegen den Begriff "change maker" - eine etwas plumpe Wortkonstruktion, die schon auf Englisch komisch klingt, eher wie "coffee maker", und als Kaffeemaschine wollte Bill seine Frau wohl kaum beschreiben. Übersetzen ließe sich der Begriff mit "Verändererin". Hillary, so Bills eindringliches und stets wiederholtes Argument, habe ihre ganze Karriere lang das Leben von Frauen, Kindern und Minderheiten zum Besseren verändert. Also von wegen Status quo.

Gerüchten zufolge hatte Bill bis zum Schluss an seiner Rede gearbeitet, selbst enge Mitarbeiter seiner Frau bekamen das Manuskript angeblich nicht zu sehen. Das kann nicht stimmen, denn als Bill sprach, wedelten plötzlich Tausende Parteitagsbesucher mit Schildern, auf denen "change maker" stand. Irgendjemand muss die zuvor gedruckt haben. Irgendjemand aus der Parteitagsregie wusste also, was die wichtigsten Wörter in Bills Rede sein würden.

Dass das "change" in "change maker" an Obamas berühmtes Versprechen vom Wandel aus dem Wahlkampf 2008 erinnert, dürfte kein Zufall sein. Den Gegner als ausgelaugt und in der Vergangenheit gefangen darzustellen, sich selbst hingegen als neu, voll frischer Ideen und der Zukunft zugewandt, ist ein bewährter Wahlkampftrick. Keiner weiß das besser als Obama, denn mit dieser Strategie schlug er vor acht Jahren Hillary Clinton im Vorwahlkampf der Demokraten.

Obama hatte sich mit den Clintons vor acht Jahren zerstritten

Das führte zu einem heftigen Zerwürfnis zwischen den Clintons und den Obamas, spitze Bemerkungen gingen hin und her. Die Beziehung wurde erst wieder gekittet, als Obama nach seinem Wahlsieg Hillary Clinton als Außenministerin in sein Kabinett holte. Das war riskant, denn Obama konnte nicht wirklich sicher sein, dass seine Rivalin - oder Bill - ihm gegenüber loyal sein würden. Doch es klappte. Hillary Clinton wartete einfach acht Jahre lang ruhig auf ihre zweite Chance.

Obama wollte diese Treue Mittwochnacht in seiner Parteitagsrede honorieren, ein sehr wichtiger Gefallen, denn ohne Obamas Wähler kann Hillary Clinton im Herbst die Wahl nicht gewinnen. Obamas Aufgabe war dabei schwieriger als Bill Clintons, denn der amtierende Präsident musste seine Amtszeit verteidigen und zugleich die Kandidatin empfehlen, ohne allzu deutlich zu sagen, dass eine Clinton-Präsidentschaft lediglich eine Fortsetzung der Obama-Präsidentschaft wäre. "Change maker" war da wohl ein hinreichend vages Schlagwort. Dass die Sieger von 2008 nicht nachtragend sind, hatte zu Beginn der Woche bereits Michelle Obama bewiesen, die eine rührende Hommage an Hillary hielt, vielleicht sogar besser als Bills, der sich in seiner Rede zuweilen in den Details verlor. Ob Amerika unbedingt wissen musste, wann genau bei Chelsea Clintons Geburt die Fruchtblase platze, sei dahingestellt.

Jetzt versuchten Obama und die Clintons den Vergangenheit-gegen-Zukunft-Trick mit den Republikanern, denn dass die meisten Wähler irgendetwas Neues wollen, ist offensichtlich. Ob das gelingt, ist völlig offen. Vielleicht war das der größte Schwachpunkt von Bills Rede: Indem er ausführlich erzählte, wie sich seine Frau seit 30 oder 40 Jahren um Veränderungen in der Politik bemüht hat, erinnerte er die Amerikaner eben auch daran, dass seine Frau seit 30 oder 40 Jahren in der Politik mitmischt. In dieser Zeit hat sich Hillary Clinton das schlechte Image erworben, unter dem sie jetzt leidet. Und daran tragen nicht nur böse Republikaner Schuld, sondern ganz wesentlich auch sie selbst.

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(Foto: AP)

Der Kreis schließt sich: Ex-Präsident Bill Clinton hält auf dem Parteitag der Demokraten eine Lobrede auf seine Frau, Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton.

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Bill brachte auch die Wortverrenkung unter, mit der Hillary als Reformerin verkauft werden soll: "Change Maker" - praktischerweise schon auf Schilder gedruckt.

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Der Ex-Präsident wirkte zwar sichtbar gealtert, aber nutzte all sein rhetorisches Können, um seine Frau in möglichst menschelnder Wärme zu zeichnen.

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Die Kandidatin selbst wurde aus New York per Videoschalte auf die große Leinwand des Parteitages in Philadelphia geworfen.

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Nach den Auseinandersetzungen mit dem demokratischen Mitbewerber Bernie Sanders versuchte die Partei in Philadelphia Einheit zu demonstrieren.

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Die Fraktionsvorsitzende im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, und andere namhafte Demokratinnen auf der Bühne.

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Die Polizei musste diesen Sanders-Unterstützer davon abhalten, über den Zaun auf das Parteitags-Gelände zu klettern.

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(Foto: AFP)

Bill Clintons Rede bereitete auch schon die große PR-Aktion für den nächsten Tag vor: die Ansprache des amtierenden Präsidenten Barack Obama.

© SZ vom 28.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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