Regierungsbildung in Luxemburg:Ära Juncker geht zu Ende

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Jean-Claude Juncker war knapp 19 Jahre im Amt. (Foto: AFP)

Nach der Parlamentswahl in Luxemburg wird ein Aus für den langjährigen Premierminister Jean-Claude Juncker wahrscheinlich. Großherzog Henri hat den Chef der Liberalen Demokratischen Partei, Xavier Bettel, mit der Regierungsbildung beauftragt. Juncker will trotzdem weiter in der Politik mitmischen.

In Brüssel tritt Jean-Claude Juncker am frühen Nachmittag vor die Journalisten, um ihnen über den EU-Gipfel zu berichten. Zur gleichen Zeit betritt in Luxemburg sein wahrscheinlicher Nachfolger den großherzoglichen Palast. Heute geht es in einer hinteren Ecke im 2. Untergeschoss des EU-Ratsgebäudes nicht um den EU-Gipfel, es geht um den letzten Auftritt eines EU-Legende.

"Ich rede nicht gerne über meine Gefühle", sagt Juncker, sichtlich um Fassung bemüht. Fast 19 Jahre lang war der 58-jährige Regierungschef, seit langem der dienstälteste in der Runde seiner Kollegen. "Ich glaube, ich habe über 120 Europäische Räte (Gipfel) mitgemacht. Und 350 Ecofin-Sitzungen (der Finanzminister). Das ist wirklich eine ganze Menge", rechnet er vor. "Ich habe versucht, das so professionell wie möglich zu machen, um da nicht in Gefühlsausbrüchen mich selbst und andere untergehen zu lassen." Und dann setzt er doch hinzu: "Aber weh tut das schon."

Es war Juncker, der den Euro miterfand - und es war Juncker, der acht Jahre lang als Vorsitzender der Eurogruppe für das Große und auch das Kleingedruckte der gemeinsamen Währung verantwortlich war. Und als oberster Finanz-Krisenmanager der EU sah er manchmal blass, grau und übernächtigt aus - 20 Stunden täglich im Dienst, einer selbst auferlegten Pflicht gehorchend.

"Er ist ein erfahrener Europäer"

Natürlich wird er gefragt, was er davon hält, als Spitzenmann der größten Partei des Landes von den drei kleineren Parteien gestürzt worden zu sein: "Ich kommentiere die Innenpolitik nicht außerhalb der Landesgrenzen", sagt er. "Aber ich werde sicher noch Gelegenheit haben, zu sagen, was ich vom Verhalten der anderen Parteien halte."

Was in den kommenden Jahren am wichtigsten für Europa sei, wird er gefragt. Er meint: Das Thema "soziale Dimension" sei in der EU "nach wie vor unterbeleuchtet". "Dies wird eines Tages zu schroffen Abwehrbewegungen bei der europäischen Arbeitnehmerschaft führen." Bei der Wirtschafts- und Finanzkrise könne es "jederzeit Rückschläge geben". Und "auch intern sind die Dinge noch nicht so schlüsselfertig geregelt wie sie es sein müssten, um bei einem erneuten krisenhaften Geschehnis die Eurozone in die Lage zu versetzen, adäquat zu reagieren". Und die EU-Staaten müssten mehr für Entwicklungspolitik tun, auch wegen der Flüchtlingsströme: "Letztendlich ist vor Ort zu helfen, dort wo die Probleme entstehen. Das tun wir in völlig ungenügender Weise."

Als Junckers Pressekonferenz in Brüssel endet, ist in Luxemburg der Liberalen-Chef Xavier Bettel von Großherzog Henri bereits zum "Formateur" ernannt, also mit der Regierungsbildung beauftragt worden. Und im 3. Obergeschoss sagt Angela Merkel gerade: "Ich schätze die Arbeit von Jean-Claude Juncker sehr - er ist ein erfahrener Europäer, das ist unbestritten." Aber im 2. Untergeschoss tritt Juncker allen Spekulationen entgegen, er könne noch an einem hohen politischen Amt interessiert sein. Jetzt will er die Opposition führen und daheim bleiben: "Ich habe nicht die Absicht, mich aus der luxemburgischen Politik zurückzuziehen, ganz im Gegenteil."

© Süddeutsche.de/dpa/Dieter Ebeling/AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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