Ostasien:Auf einen Schlag

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Es hat gerumst: Nordkoreas Diktator Kim Jong Un an Bord eines U-Boots. (Foto: Korean Central News Agency/Reuters)

Der Westen will Pjöngjang für seine Nukleardrohungen bestrafen, selbst China ist ungehalten über den Verbündeten. Doch Diktator Kim Jong Un gefällt sich in der Rolle des Provokateurs.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Mit dem angeblichen Test einer Wasserstoffbombe hat Nordkorea die USA empört, ebenso wie seine Nachbarländer Südkorea, Japan - und China. Sie sind näher zusammengerückt, auch bei der Suche nach Strafmaßnahmen. Südkoreas Verteidigungsministerium wies unterdessen die Behauptung des Nordens zurück, dass es sich bei der Explosion vom Mittwoch um eine Wasserstoffbombe gehandelt habe.

Das sei unwahrscheinlich, denn die Stärke der Explosion sei für eine reine Wasserstoff-Bombe mit sechs Kilotonnen viel zu gering gewesen. Sie hätte im Bereich von Mega-Tonnen liegen müssen, also 100 bis 1000 Mal stärker gewesen sein. Außerdem sei kaum glaublich, dass Nordkorea über die nötige Technologie verfüge. Denkbar sei aber, dass der Sprengkörper Wasserstoff-Komponenten enthielt. Auch das Weiße Haus in Washington teilte mit, die bisher analysierten Messdaten der Explosion passten nicht zu einer Wasserstoffbombe.

Der Sicherheitsrat einigte sich ungewöhnlich schnell, Pjöngjang zu bestrafen

Aus Pjöngjang wird berichtet, auf den Straßen der Hauptstadt hätten die Menschen den angeblich erfolgreichen Test "spontan" gefeiert. In den Nachrichten des nordkoreanischen Fernsehens hieß es: "Unsere Republik ist eine verantwortungsvolle Atommacht, wir werden weder Atomwaffen zuerst einsetzen noch die Technologie weiterverbreiten." Doch Nordkoreas Atomprogramm könne "nur gestoppt werden, wenn die USA ihre bösartige feindliche Politik aufgibt". Das könnte immerhin als Hintertür verstanden werden.

Der UN-Sicherheitsrat einigte sich am Mittwoch in einer nur zweistündigen Sitzung auf eine Verurteilung Nordkoreas, er will noch in diesem Monat neue Sanktionen verhängen. US-Präsident Barack Obama, Südkoreas Präsidentin Park Geun Hye und Japans Premier Shinzo Abe kamen überein, ihre Sanktionen zu koordinieren. Peking betrachtet Kims Atomtest als Affront: Sein Außenministerium berief den nordkoreanischen Botschafter ein, um ihm Chinas Verurteilung klarzumachen. Aber an die große Glocke will Peking dies nicht hängen. Es will einen Kollaps von Kims Regime um fast jeden Preis verhindern, denn ein wiedervereintes Korea könnte Alliierter der USA werden. An der Grenze zu China ging der Kleinhandel zunächst unverändert weiter.

Cho June-hyuck, Sprecher des südkoreanischen Außenministeriums, unterstrich: "Was immer Nordkorea für Ziele mit dem Test verfolgt, die internationale Gemeinschaft wird ein nuklear bewaffnetes Nordkorea unter keinen Umständen dulden." Pjöngjang müsse "einen Preis für seine Provokation zahlen". Zu diesem Preis gehört, dass Washington mit Seoul über die Stationierung "strategischer Waffen" - also Atomwaffen - entlang der innerkoreanischen Grenze nachdenkt. Schon am Donnerstag begannen Soldaten des Südens, die erst im August demontierten Propaganda-Lautsprecher wieder aufzustellen. Sie sollen von diesem Freitag an wieder Agitationsparolen gegen Kims Regime über die Grenze plärren.

Der Norden verfügte über ähnliche Anlagen, bis beide Koreas sich 2004 einigten, den Lärm abzustellen, denn außer den Grenzsoldaten hörte ihn ohnehin kaum jemand im Norden: Das Grenzgebiet ist Sperrzone. Elf Jahre war es still, bis Seoul die Anlagen im August wieder in Betrieb nahm, nachdem zwei Soldaten von einer Landmine verletzt worden waren.

Die Kamarilla in Pjöngjang reagierte allergisch und ließ sogar einen Lautsprecher beschießen. Ihre Furcht ist, dass das Land, das von Angst, Lügen und exzessivem Personenkult zusammengehalten wird, durch scharfe Regimekritik und Verunglimpfungen Kims destabilisiert werden könnte. Nach 43-stündigen Verhandlungen baute Seoul die Anlagen Ende August wieder ab. Dass es sie jetzt erneut aufbaut, hat weder strategische noch militärische oder politische Relevanz, es soll nur Kim ärgern, eine Gegenprovokation. Mit dem Bombentest habe der Norden die Vereinbarung vom August gebrochen, rechtfertigt sich Seoul. Pjöngjang sagte jedoch schon damals, es sehe die Lautsprecher als Kriegsakt und schlage zurück, würden sie nicht binnen 48 Stunden abgeschaltet.

Südkoreas Präsidentin Park warnte am Donnerstag, Nordkorea könnte jederzeit einen Überraschungsangriff starten. Sie hat das südkoreanische Heer in Alarmbereitschaft versetzt. Won Yol-cheol, Fraktionschef von Parks regierender konservativer Partei Saenuri, verlangte erneut, Südkorea müsse seinerseits nuklear aufrüsten. Unter Militärdiktator Park Chung Hee, Vater der heutigen Präsidentin, hatte Seoul in den 1970er-Jahren an einer Atombombe gearbeitet. 1975 zwang Washington den Süden aber, sein Nuklearprogramm aufzugeben und dem Atomsperrvertrag beizutreten. Heimlich arbeiteten südkoreanische Wissenschaftler noch Jahre weiter an der Bombe, wie Seoul erst 2004 zugab.

Weil auch in Japans Regierung Leute sitzen, die den Bau von Atombomben befürworten, könnte Nordostasien ein nukleares und Raketen-Wettrüsten drohen. Japans ehemaliger Verteidigungs- und heutiger Regionenminister Shigeru Ishiba etwa meint, Japan dürfe seine Kernkraftwerke schon deshalb nicht aufgeben, weil es mit Vorräten von mehr als 40 Tonnen Plutonium (Nordkorea verfügt über 10 Kilo) eine "virtuelle Atommacht" sei.

© SZ vom 08.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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