Olympische Spiele:Ein Fehler, eventuell

Lesezeit: 2 min

Am Wochenende starben zwei Menschen, als ein Olympia-Bau einstürzte. Die Vorbereitungen drohen aus dem Ruder zu laufen.

Von Boris Herrmann

Während Präsidentin Dilma Rousseff am Wochenende nach New York reiste, um ihren Vizepräsidenten Michel Temer als Putschisten anzuprangern, übernahm dieser Temer in Brasilien für zwei Tage die Regierungsgeschäfte. Seine erste Amtshandlung war, zwei Tote zu erklären. In Rio de Janeiro war eine frisch eingeweihte Fahrradbrücke eingestürzt. Sie gehörte zum Verkehrskonzept für die Olympischen Spiele im August. Die Organisatoren sprechen gerne vom "olympischen Vermächtnis". Gut 100 Tage vor der Eröffnungsfeier steht fest, dass zu diesem Vermächtnis zwei tote Radfahrer gehören, die zur falschen Zeit auf der falschen Brücke waren.

Temer erklärte staatsmännisch, er werde die notwendigen Schritte einleiten, um "eventuelle Fehler" zu ermitteln, die zu "diesem bedauernswerten Unfall" geführt hätten. Fragt sich nur, zu welchen Schritten er eigentlich befugt ist im Moment? Dass er sich mit Rousseff abstimmt, die am Sonntagabend wieder in Brasília landete, gilt als ausgeschlossen. Die Staatspräsidentin und ihr Stellvertreter reden schon lange nicht mehr miteinander.

Beim Testturnier fiel immer wieder der Strom aus

Brasilien befindet sich gerade in einem höchst bizarren Interregnum. Dilma Rousseff, 68, ist offiziell noch im Amt, aber de facto kaltgestellt, seit das Parlament am vergangenen Sonntag mit Zweidrittelmehrheit dem Impeachment zustimmte. Michel Temer, 75, ist ihr virtueller Nachfolger, er darf aber noch nicht offiziell losregieren. Er wird vermutlich Mitte Mai als Interimspräsident nachrücken, zunächst für 180 Tage. Erst im Oktober dürfte sich dann entscheiden, ob Rousseff wieder rehabilitiert zurückkehrt, ob Temer bis zu den Wahlen 2018 bleiben darf oder ob beide abgesetzt werden. Das ist nicht die unwahrscheinlichste Variante, denn der Vize und seine Partei stecken bis zum Hals im Korruptionssumpf.

Das größte Land Südamerikas treibt derweil wie ein herrenloses Schiff auf seine olympischen Festspiele zu. Niemand weiß so genau, wer tatsächlich "eventuellen Fehlern" in der Vorbereitung nachgeht. Und vor allem, wer dafür Sorge trägt, dass weitere Fehler verhindert werden. Die Mängelliste ist jedenfalls lang. Während Brasiliens Politik im Wachkoma liegt, verschärft sich die Wirtschaftskrise. Der Bundesstaat Rio, der unter anderem für Sicherheit, Verkehr und Gesundheit zuständig wäre, ist praktisch pleite. Die Behörden sind weit davon entfernt, die Zika-Epidemie in den Griff zu bekommen. In einigen bereits befriedeten Favelas wird wieder geschossen. Beim Testwettbewerb der Turner am vergangenen Wochenende fiel im Olympiazentrum immer wieder der Strom und damit die Ergebnisanzeige aus. Solche Probleme gibt es nicht nur in der Turnhalle.

Angesichts des Zeitdrucks wurden bei zahlreichen Bauten offenbar Umwelt- und Sicherheitsauflagen großzügig ausgelegt. Jene Firma, die den eingestürzten Fahrradweg errichtete, ist auch am Bau einer Hochstraße beteiligt, um die Trabantenstadt Barra da Tijuca besser an Rios Zentrum anzubinden. Auch die geplante U-Bahn nach Barra, wo sich das Olympische Dorf befindet, ist noch nicht fertig. Es droht im August ein Verkehrschaos.

Michel Temer, den nach jüngsten Umfragen zwei Prozent der Brasilianer wählen würden, wird voraussichtlich die Ehre haben, diese Spiele zu eröffnet. Nach Lage der Dinge ist er darum nicht zu beneiden.

© SZ vom 25.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: