Olympia in Peking:Der Schaden der Spiele

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Die Olympischen Spiele sollen symbolisch für die Aufnahme Chinas in die Weltgemeinschaft stehen. Die Menschenrechte werden durch sie jedoch keineswegs gestärkt.

Julia Troesser

Die Erwartungen waren hoch. Verbesserte Umweltpolitik, stärkere Menschenrechte, erweiterte Pressefreiheit - das hatte die chinesische Regierung angekündigt, als sie im Juli 2001 den Zuschlag für die Olympischen Sommerspiele 2008 erhielt. Heute zeigt der Blick auf China, dass diese Versprechen keineswegs eingelöst wurden.

Strenge Kontrollen und Sicherheitskräfte überall - die Chinesen leiden unter den Restriktionen während der Spiele. (Foto: Foto: afp)

Amnesty International berichtet von Verhaftungen, Hausarrest und "Säuberungen", um Aktivisten auszuschalten. Noch immer werden in China mehr Todesstrafen verhängt als in allen anderen Ländern zusammen. Medienzensur, Smog und Unterdrückung sind an der Tagesordnung.

Es ist also keine Überraschung, dass die Kritik an der chinesischen Regierung kurz vor Beginn der Spiele wächst. Das britische Magazin The Economist stellt sogar die These auf, dass Olympia mehr Schaden als Positives über das Reich der Mitte gebracht hat. Schließlich verloren mehrere hunderttausend Menschen durch Zwangsumzüge ihre Häuser, damit spektakuläre Sportstätten und -unterkünfte gebaut werden konnten.

Die Sicherheitsvorkehrungen wurden im Rahmen der Spiele drastisch verstärkt - von einer nie da gewesenen Terrorgefahr wird gesprochen, um die ständigen Kontrollen zu rechtfertigen. Hat der Economist also recht, dass China den Aufstieg des Landes trotz und nicht aufgrund der Sommerspiele feiern sollte?

Die Versprechen waren illusorisch

Nicholas Bequelin von Human Rights Watch in Hongkong unterstreicht diese These: "Die Olympischen Spiele haben nur Schaden über das Land gebracht. Sie wirken sich komplett negativ auf die Menschenrechte der Chinesen aus". Für die Beteuerungen des IOC, dass Chinas Bevölkerung von Olympia profitiert, hat er kein Verständnis. "Die versprochenen Fortschritte sind einfach nicht eingetreten, das zeigt sich an der Medienzensur und dem noch immer fehlenden Grundrecht auf Demonstrationen."

Eine eher gemischte Bilanz zieht Gudrun Wacker von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik. Sie forscht über chinesische Außen- und Sicherheitspolitik sowie die innere Entwicklung Chinas und glaubt, dass es von Beginn an eine "Illusion war, zu erwarten, dass in einem Land wie China durch die Olympischen Spiele tiefgreifende Veränderungen eintreten".

Zwar hat sich China in den letzten Jahrzehnten stark entwickelt und in einigen Bereichen westlichen Standards angenähert. So wurde beispielsweise ein verbessertes Arbeitsvertragsgesetz eingeführt und die Entscheidung getroffen, dass Todesurteile immer vom Obersten Gerichtshof abgesegnet werden müssen, anstatt dezentral verhängt zu werden. Dies geschah jedoch nicht durch die Olympischen Spiele, sondern vielmehr durch allgemeine Reformprozesse.

Die Menschenrechte gelten in China immer noch nicht. Das zeigte sich auch während des Tibetkonflikts, bei dem friedliche Proteste durch das chinesische Militär niedergeschlagen wurden. Solche Skandale möchte die chinesische Regierung im Rahmen der Olympischen Spiele vermeiden - und zwar nicht durch diplomatischen Umgang mit Demonstranten, sondern dadurch, dass alle nichtgenehmigten Protestversuche bereits im Keim zu ersticken sind.

"Die oberste Instruktion an alle Sicherheitskräfte lautet: Zwischenfälle vermeiden", sagt Experte Bequelin. Gudrun Wacker von der Stiftung Politik und Wissenschaft spricht deshalb von einer "Sicherheitsbesessenheit" Pekings. "Niemand will verantwortlich sein, dass etwas schiefgeht".

Langfristige Folgen sind nicht absehbar

Ob die Spiele langfristig Segen oder Fluch über das Land bringen - oder ob alles bleibt, wie es war - hängt wohl vom Verlauf der nächsten Wochen ab. "Es ist zu erwarten, dass die strengen Restriktionen nach dem Ende der Sommerspiele wieder aufgehoben werden", so Wacker, sicher sei das jedoch nicht.

"Wenn alles glattläuft, kann das als Symbol dafür angesehen werden, dass China in der Weltgemeinschaft angekommen ist, dadurch wird auch die chinesische Führung in Teilen legitimiert", glaubt die China-Expertin. Das verschafft China mehr Selbstbewusstsein und möglicherweise die Erkenntnis, dass gelockerte Bedingungen für ausländische Journalisten und eine stärkere Umweltpolitik das Land tatsächlich weiterbringen.

In Hinblick auf die Menschenrechte zeigt sich jedoch schon jetzt: China hat viel versprochen, aber nur wenig eingehalten - trotz Olympia. Das Land hat in punkto Menschenrechte noch einen langen Weg vor sich. Dieser muss Schritt für Schritt gegangen werden und das Erreichen des Ziels lässt sich weder durch ein spektakuläres Sportereignis beschleunigen noch erkaufen - auch nicht durch die 28 Milliarden Euro, die Peking für die Spiele ausgegeben hat.

Nicholas Bequelin ist der Meinung, dass es noch eine ganze Zeit dauern wird, bis sich der Zustand Chinas nach dem Ende der Sommerspiele wieder normalisiert hat, bis das Land seinen Weg in Richtung verbesserte Menschenrechte weitergehen kann. "Die Chinesen müssen jetzt noch stärker für ihre Rechte kämpfen. Durch die Olympischen Spiele wurde die positive Entwicklung des Landes sicherlich nicht gestoppt", glaubt der Menschenrechtler - "aber sie wurde zeitweise eingefroren".

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