Österreich:Wiener Theater

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Wolfgang Sobotka (ÖVP), damals österreichische Innenminister, verfolgt am 31.01.2017 in Wien die Sitzung des Nationalrates im Parlament. (Foto: Roland Schlager/dpa)

Innenminister Sobotka zettelt einen Koalitionskrach an - Beobachter vermuten dahinter eine Intrige gegen einen aufstrebenden Parteikollegen.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Kanzler Christian Kern sei ein "Versager" und der Zug für den SPÖ-Chef abgefahren - mit solchen Unfreundlichkeiten hat in den vergangenen Tagen Österreichs Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) das ohnehin schlechte Koalitionsklima in Wien weiter beschädigt. Sobotka gilt als erzkonservativer Politiker, der den Haudrauf-Stil bevorzugt, aber offene Beleidigungen dieses Kalibers sind selbst in Wien selten. Kern kommentierte die üble Nachrede des Kollegen in einem Interview zu seinem ersten Jahr im Amt erkennbar genervt mit dem Satz, jeder müsse selbst "entscheiden, wie er sich benimmt". Auch Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP), mit dem Sobotka seine Attacke nicht abgestimmt hatte, war verstimmt und fand die Aktion "nicht zielführend".

Am Dienstag ruderte Sobotka dann zurück, wenngleich nur halb - und auch erst nachdem seine Äußerungen die erwünschten Reaktionen ausgelöst hatten. Er werde seine "Wortwahl künftig verbessern", aber die SPÖ solle endlich zur Sacharbeit zurückkehren. Sobotka hatte sich zuletzt als Kritiker der Regierung in Szene gesetzt, als er zu Jahresbeginn ankündigte, er werde das überarbeitete Koalitionsprogramm - als einziger Minister - nicht unterzeichnen; schlussendlich tat er es doch.

Hintergrund der jüngsten Attacke gegen den Kanzler ist, so mutmaßen viele Sozialdemokraten und auch nicht wenige Christdemokraten, dass Sobotka damit die große Koalition und einen ihrer letzten Freunde in der eigenen Partei beschädigen will, Vizekanzler Mitterlehner. So solle, heißt es in Wien, der Aufstieg von Parteifreund und Außenminister Sebastian Kurz zum Parteichef und nächsten Kanzlerkandidaten gefördert werden. Die ÖVP war nach dem Auftritt Sobotkas denn auch erst einmal mit Schadensbegrenzung beschäftigt: Mitterlehner dementierte umgehend, dass er zurücktreten wolle, und Kurz soll, wie österreichische Medien berichten, noch Montagabend zahlreichen Parteifreunden eilig telefonisch versichert haben, dass er den Parteivorsitz gar nicht wolle. Er werde die ÖVP in diesem Zustand nicht übernehmen.

Das bekräftigte Kurz am Dienstag dann auch auf einer Parteiveranstaltung im - von Wien weitmöglichst entfernten - Vorarlberg. Er empfinde die Aufgabe des Parteichefs nicht als "attraktiv", ließ er wissen. Mitterlehner habe seine Unterstützung, sagte der Jungstar der ÖVP. Zugleich teilte er aber auch gegen die Roten aus: Er wiederum werde täglich von der SPÖ angegriffen.

Wähler und Medien stehen, wie so oft, staunend vor dem Spektakel, das wahlweise als "Intrigantenstadel", "Theater" oder "kampagnenartige Einzelanschüttungen" bezeichnet wird. Bundespräsident Alexander Van der Bellen sah sich am Dienstag genötigt, die Parteien bei einer Veranstaltung mit Schülern zur Feier des Europatages zur Ordnung zu rufen; einander "Unfreundlichkeiten" über die Medien auszurichten, schade dem Ansehen der Politik. Beobachter der Entwicklung in der rot-schwarzen Koalition geben dieser nur noch wenige Wochen, auch wenn Bundeskanzler Kern immer wieder mahnt, die Regierung nicht zum Scheitern zu bringen und der FPÖ so den "roten Teppich auszurollen". Offenbar haben einige seiner Kollegen andere Pläne.

© SZ vom 10.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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