Österreich:Stochern im Milliardengrab

Lesezeit: 3 min

Passenderweise im "Budgetsaal" des Wiener Parlamentsgebäudes wird seit Februar das Debakel um die Hypo Alpe Adria-Bank aufgearbeitet. (Foto: Heinz-Peter Bader/Reuters)

Die Pleite der Hypo Alpe Adria soll aufgearbeitet werden. Ein Erfolg ist nicht sicher: Vor dem Untersuchungsausschuss türmen sich 5500 Meter Akten.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

"Vertuschungs-Ausschuss" oder auch "Ausschluss-Ausschuss": Das Gremium, das im Wiener Parlament zwei Monate nach seiner offiziellen Einrichtung am Mittwoch endlich mit der Vernehmung der ersten Zeugen beginnen konnte, hat schon jetzt kritische Spitznamen - und einen denkbar schweren Start. Denn der parlamentarische Untersuchungsausschuss, der endlich die politische Verantwortung für den Skandal rund um die Pleitenbank Hypo Alpe Adria, aufklären soll, ist ein kompliziertes Novum zu einer komplexen Causa: Erstmals in der österreichischen Nachkriegsgeschichte durfte ihn aufgrund einer Neuregelung die Minderheit der Oppositionsabgeordneten einberufen, und nicht mehr, wie bisher, nur die Mehrheit der Regierungsparteien. Daher aber findet er auch nach Regeln statt, die zwischen den Parteien erstmals ausprobiert, ja ausgekämpft werden müssen.

Umstritten sind dabei vor allem die Masse der Akten und der Umgang mit Auskunftspersonen: Gestapelt ergäben die Papiere, die dem Ausschuss angeliefert wurden, einen Turm von 5500 Metern Höhe, geordnet und bearbeitet sind bisher gerade mal fünf Prozent. Vor allem aber: Ein Teil des Aktenberges wurde als "vertraulich" klassifiziert, viele Auskunftspersonen dürfen nicht genannt werden, was absurd ist, weil viele von ihnen seit Jahren Teil der ausufernden Berichterstattung in dieser Skandalgeschichte sind. Und so begann der erste von geplanten 58 Sitzungstagen mit Geschäftsordnungsdebatten über den Ausschluss der Öffentlichkeit und die Frage, wie man Personen ansprechen soll, die jeder kennt, die aber keiner erkennen soll. Der Neos-Abgeordnete Rainer Hable fragte daher verärgert, ob in diesem Ausschuss mehr vertuscht als aufgeklärt werden solle, und der grüne Finanzspezialist Werner Kogler kritisierte, die Aussperrung der Medien behindere den Anspruch der Öffentlichkeit auf Information.

Dabei war der U-Ausschuss zur Hypobank nicht nur von der Opposition, sondern auch von den österreichischen Wählern mit Spannung erwartet worden. Zig Vorläufer, in der Bankheimat Kärnten und in Wien, hatten sich bereits der Frage angenommen, welche Abläufe und Entscheidungen es möglich machten, dass eine einstmals kleine Landeshypothekenbank aus Klagenfurt zwei Jahrzehnte lang ungebremst in die Pleite rasen konnte. Ungeprüfte Kreditvergaben nach Italien, aber auch in die Balkanstaaten Serbien, Kroatien, Mazedonien und Montenegro blähten den Umsatz gewaltig auf, abgesichert nur mit Landeshaftungen, die den Haushalt des Landes Kärnten bald um ein x-faches überstiegen. Spekulationsverluste und reihenweise faule Kredite führten schließlich in die große Krise, was die Bayerische Landesbank nicht daran hinderte, das Geldinstitut zur Ausweitung ihres Portfolios in Südosteuropa 2008 für 1,6 Milliarden Euro zu kaufen. Zuvor hatten österreichische Prüfer die Bank als "not distressed" eingestuft, aus heutiger Sicht entweder eine politisch nützliche Lüge - oder die Folge von Inkompetenz.

Derzeit werden gegen 154 Beschuldigte Ermittlungen geführt

Die Hypo Alpe Adria wurde nach Anhäufung weiterer Verluste (5,5 Milliarden mussten insgesamt zugeschossen werden) 2009 vom Staat Österreich zurückgekauft; seit 2014 wird die Bank als Abbaugesellschaft Heta, also als bad bank, abgewickelt.

In diesem Frühjahr nun beendete Finanzminister Hans Jörg Schelling die fast unendliche Geschichte und stellte alle Gläubigerzahlungen ein. Das Kapitel Hypo Alpe Adria solle, so das Finanzministerium, baldmöglichst beendet werden. Die juristische Aufarbeitung aber läuft und wird weiter laufen. Strafrechtliche und zivilrechtliche Verfahren - gegen die Bayern LB, von der Bayern LB, gegen die Hypo, gegen das Land Kärnten - sind im Gange oder stehen bevor. Gegen 154 Beschuldigte wird derzeit ermittelt.

Und dann ist da eben noch die politische Aufarbeitung. Wer war schuld an der Misere, wer hat nicht früh genug Stopp gerufen, wer hat warum freundliche Berichte geschrieben und kritische ignoriert? Wer müsste zurücktreten oder hätte längst die politische Verantwortung übernehmen sollen? Das soll, nach zwei vernichtenden Untersuchungen durch eine unabhängige Kommission und den Rechnungshof, nun der neue Ausschuss klären helfen.

Jedoch: Die ersten zwei Zeuginnen, die schließlich am Mittwoch aussagten, mochten - oder konnten - wenig Erhellendes über ein Bankinstitut sagen, das spätestens von 2006 an eine "Problembank" war. Eine sogenannte Staatskommissärin, die vom Finanzministerium in das Aufsichtsgremium der Bank geschickt wurde und der Finanzmarktaufsicht berichtete, sagte, das Wort "Problembank" sei nie gefallen. Sie beschrieb ihren Prüfauftrag in etwa so: "Die Entwicklung hat man natürlich wahrgenommen, ja. Aber das zu kontrollieren war Aufgabe der Landesaufseher."

© SZ vom 09.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: