Österreich:Sehnsucht nach dem starken Mann

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Trumps Wahlsieg könnte dem Kandidaten der rechtspopulistischen FPÖ für das Bundespräsidentenamt, Norbert Hofer, Auftrieb geben.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Wird der Sieg von Donald Trump den Wahlkampf des FPÖ-Kandidaten um das Bundespräsidentenamt beflügeln? Wird eine Machtübernahme der Rechtspopulisten dadurch wahrscheinlicher? In Österreich wird darüber seit dem Überraschungserfolg des US-Milliardärs intensiv diskutiert. Am 4. Dezember wird der Präsident gewählt, interne Daten der Parteien sagen wieder ein knappes Ergebnis voraus. Und nun das: Ein Mann, der sich Russland annähern und TTIP kippen will, der politische Korrektheit für eine Farce und Zuwanderung für eine Infamie hält, wird US-Präsident. Das könne, nein, müsse auch der Hofer-Kampagne Auftrieb geben, hofft man im rechten Lager. Trumps Erfolg, so das Kalkül, werde das Bekenntnis zu Norbert Hofer erleichtern und ihn auch im bürgerlichen Lager hoffähig machen.

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache war unter den ersten Trump-Gratulanten

Zwar sehen 85 Prozent der Österreicher laut Umfragen Trump sehr kritisch, aber was Umfragen wert sind, hat ja nicht zuletzt der US-Wahlkampf gezeigt. Außerdem hat sich die Zahl der Österreicher, die sich einen "starken Mann" an der Spitze wünschen, in den vergangenen zehn Jahren auf 40 Prozent der Befragten vervierfacht. Der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier diagnostiziert eine "zunehmende Demokratiemüdigkeit": "Ein Typ wie Trump könnte bei uns im klaren zweistelligen Bereich reüssieren." Die Motive seiner Wähler bewegten auch immer mehr Österreicher. "Auch hier wächst die Gruppe derer, die glauben, dass sich ihre Lebenschancen verschlechtern. Auch hier wächst die Gruppe, die ihre Sehnsucht nach Stolz durch Nationalstolz befriedigt sieht."

Heinz-Christian Strache, FPÖ-Chef, war denn auch unter den ersten Trump-Gratulanten. Dabei feierte er nicht nur den Sieg über das "verfilzte Establishment" und die "Mainstream-Medien", sondern auch das Ende von "Clans", die untereinander ausmachten, wer das Sagen habe - all das erkennbar auch als Parallele zum "System" in Österreich formuliert, wo die Clans von Rot und Schwarz, um in Straches Diktion zu bleiben, seit Jahrzehnten regieren. Auf der immer gut besuchten Webseite des Parteichefs gibt es Stimmen, die Trump für gefährlich halten, aber die Begeisterung darüber, es den linken Gutmenschen gezeigt zu haben, überwiegt: "Die Zeit wird kommen, der Anfang ist in den Vereinigten Staaten getan", postet Strache-Fan Stefan Lindner. Und Sandra Pruckmayr sekundiert: "Beim Bundespräsidenten-Wahlkampf wird jetzt das Nr.-1-Argument der Linken nicht mehr ziehen: Dass es dem Ansehen Österreichs enorm schaden würde, wenn Hofer gewählt werden würde. Wenn Amerika einen Trump wählen kann, dann kann das viel kleinere und unwichtigere Österreich einen Präsidenten Hofer wählen." Klar, dass Hofer-Kontrahent Alexander Van der Bellen dagegenhält. Er forderte die Wähler auf: "Lassen Sie den 4. Dezember den Flügelschlag sein, der Europa wieder Hoffnung gibt."

© SZ vom 11.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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