Österreich:Rückkehr eines Geistes

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Wie weit soll man der slowenischen Minderheit sprachlich entgegenkommen? Ein alter Streitpunkt in Kärnten. (Foto: imago)

Kärnten streitet wieder über die slowenische Minderheit im Land. Das erinnert an die Zeit Jörg Haiders.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Lojze Wieser findet, Kärnten sei "wirklich eine Herausforderung", das zeige die "neuerliche skurrile Debatte über die Verfassung". Der Kärntner Slowene - oder slowenische Kärntner - ist ein bekannter Autor und Verleger in Klagenfurt; für seine "besonderen Leistungen um das kulturelle Klima unter Jörg Haider" wurde ihm einst der Professorentitel verliehen, in Österreich eine besondere Ehre. Zurzeit will es allerdings zum Leidwesen Wiesers so scheinen, als sei Ex-FPÖ-Chef Haider in die Landespolitik zurückgekehrt. Zumindest da, wo es um Populismus und Provokationen gegenüber der slowenischen Minderheit geht, könnte man denken, der 2008 Verstorbene sei wieder da. Aber Wieser organisiert bereits Widerstand: In einem Protestaufruf schreibt er dagegen an, das "auf dem Rücken einer Minderheit wieder politisches Kleingeld für das eigene Versagen gewechselt werden" solle.

Ein ÖVP-Mann macht nun gegen seinen eigenen Vorschlag mobil - wegen seines "Bauchgefühls"

Die Kärntner Regierungskoalition aus SPÖ, ÖVP und Grünen, die nach dem historischen Niedergang der FPÖ-Nachfolgepartei 2013 entstanden war, droht derzeit an einem von der ÖVP ausgelösten Streit zu scheitern. Man müsste ihn eine Posse nennen, wenn die Hintergründe nicht so tragisch wären. Es geht um einen kleinen Satz in der neuen Landesverfassung, die demnächst beschlossen werden und mit der vor allem eine überkommene Regelung abgeschafft werden soll: der Proporz, die Vergabe von Ministerposten an alle Parteien, die mehr als zehn Prozent Stimmanteil bei einer Landtagswahl bekommen haben. Außerdem sollen die Rechte des Landtags und der Opposition gestärkt werden.

Aktueller Streitpunkt indes ist dieser Satz: "Die Fürsorge des Landes und der Gemeinden gilt den deutsch- und slowenischsprachigen Landsleuten gleichermaßen." ÖVP-Landesrat Christian Benger hatte ihn selbst für die Verfassung vorgeschlagen, vor einigen Tagen machte er aber einen Rückzieher. Sein "Bauchgefühl" sage ihm, dass die Bevölkerung das nicht wolle; sie befürchte eine Bevorzugung slowenischer Mitbürger. Es könne nicht sein, so Benger, dass "einsprachige Kärntner keinen Job mehr finden". Konkret geht es bei der Sorge Bengers allerdings vor allem um Direktorenposten an zweisprachigen Schulen, für die naturgemäß zweisprachige Kandidaten besser infrage kommen. Daher hat Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ), ein eher abgeklärter Charakter, im ORF festgestellt, er sei doch "sehr erschrocken" wenn plötzlich ein Bauchgefühl den Inhalt der neuen Verfassung bestimmen solle. Er sei nicht bereit zu faulen Kompromissen, die ÖVP wolle offenbar in alter Haider-Manier die "Volksgruppenpolitik der FPÖ beleben", ist aus seinem Büro zu hören.

Auf einer Pressekonferenz nach der Regierungssitzung am Dienstag hat Kaiser nun einen anderen Vorschlag: Die Krise soll so gelöst werden, dass im Verfassungstext Bezug auf Artikel 8 der österreichischen Verfassung genommen wird, in der ebenfalls die Gleichberechtigung aller autochtonen Minderheiten des Landes festgeschrieben werde, im Kärntner Fall also die der Slowenen. In der Sache aber wäre das keine Änderung, nur eine Ergänzung.

Gemäß der letzten Volkszählung leben etwa 14 000 Angehörige der slowenischen Minderheit in Kärnten, selbst als Slowenen bezeichnen sich etwa 5000. Ihre Einbindung ins politische und kulturelle Leben hat wiederholt zu Konflikten geführt, viele Kärntner befürchten Gebietsansprüche der selbstbewussten Minderheit. Schließlich eskalierte die Lage unter Jörg Haider im sogenannten Ortstafelstreit: Haider weigerte sich, ein Verfassungsgerichtsurteil umzusetzen, nach dem in Orten mit mehr als zehn Prozent slowenischer Bevölkerung zweisprachige Ortstafeln und Verkehrsschilder angebracht werden sollten. Zwischenzeitlich angebrachte Schilder ließ er abbauen, der Streit wurde erst 2011 beigelegt, nach Haiders Tod.

Umweltlandesrat Rolf Holub von den Grünen ist allerdings zuversichtlich, dass die ÖVP einlenken werde. Das, was sich da einige Nationalisten in der Partei erhofft hätten, habe nicht funktioniert. Es sei heute nicht mehr möglich, das Slowenenthema zu emotionalisieren, "dieses Pferd ist totgeritten". Teile der ÖVP hätten den rechten Rand bedienen wollen, weil die Partei ein Jahr vor der nächsten Landtagswahl bei mageren zwölf Prozent liege. "Aber sie werden mit dieser Nummer nicht durchkommen."

© SZ vom 08.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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