Österreich:Kehraus

Lesezeit: 2 min

Josef Moser, 62, kam als Quereinsteiger in die Regierung. (Foto: imago/Eibner Europa)

Josef Moser, der neue Reformminister in Wien, will etliche Gesetze außer Kraft setzen. Die "Deregulierungs­offensive" geht so weit, dass ein prominenter Verfassungs­rechtler fragt: "Will Moser unser Rechtssystem in die Luft sprengen?"

Von Peter Münch, Wien

Österreichs Regierung aus ÖVP und FPÖ hat den Bürgern weitreichende Veränderungen versprochen und dafür auch einen "Reformminister" ins neue Kabinett berufen. Bekleidet wird das Amt vom langjährigen Rechnungshof-Präsidenten Josef Moser, der zugleich auch das Justizressort führt. Parteilos ist er trotz einer Vergangenheit in FPÖ-Diensten, von der ÖVP wurde er als Quereinsteiger berufen, und dass er es ernst meint mit Reformen, hat er gleich mit seiner ersten großen Ankündigung bewiesen. Alle Gesetze aus dem Zivil-, Straf- und Verwaltungsrecht, die vor dem Jahr 2000 erlassen wurden, sollen erst einmal grundsätzlich außer Kraft gesetzt werden. Den Ministerien hat Moser nun bis zum 15. März Zeit gegeben, jene Gesetze zu melden, die weiter gelten sollen. Das klingt nach großem Kehraus - und hat sogleich die Kritiker auf den Plan gerufen.

Betroffen von dieser "Deregulierungsoffensive" sind nach Angaben des Justizministeriums insgesamt 1704 Gesetze. Als Vorbild beruft man sich auf ein Rechtsbereinigungsgesetz aus dem Jahr 1999, als Vorschriften aus der Zeit vor 1946 außer Kraft gesetzt wurden. Das allerdings war eine andere Zeit, und manche Kritiker befürchten nun, dass bei diesem Reformschwung das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird.

Die Liste Pilz fürchtet einen "Kahlschlag für Verbraucher-, Mieter- und Umweltschutz"

So verglich die Verfassungsjuristin Magdalena Pöschl in einer Podiumsdiskussion an der Universität Wien das Vorhaben damit, den gesamten Inhalt eines Kleiderschranks in die Altkleidersammlung zu geben, um dann im Nachhinein einzelne brauchbare Stücke herauszusuchen. Darin drückt sich die Angst aus, dass Bestimmungen aufgehoben werden, die man noch brauchen könnte. Im Kurier fragte der Verfassungsexperte Bernd-Christian Funk: "Will Moser unser Rechtssystem in die Luft sprengen?" In der konservativen Presse verglich derselbe Akteur die Gesetze im Sozialversicherungs- oder Steuerrecht mit einer "Lasagne, die in Schichten aufgebaut ist". Alles hängt also mit allem zusammen, wer es auseinanderreißt, verdirbt das Gericht, soll das heißen. Aus dem politischen Betrieb kam ein wütendes Echo von der Liste Pilz, die befürchtet, dass sich "hinter dieser populistischen Ankündigung ein Kahlschlag für Verbraucher-, Mieter- und Umweltschutz verbergen" könnte.

Angesichts dieser Aufregung ging Minister Moser noch einmal in die Offensive. Der umgekehrte Weg, also eine Einzelprüfung von Gesetzen auf ihre Brauchbarkeit hin, sei wenig zielführend, erklärte er. Denn dann werde erfahrungsgemäß über einzelne Paragrafen stunden- und tagelang diskutiert, ohne weiterzukommen. Überdies verwies er auf ein "Sicherheitsnetz" mit mehreren Prüfungsstufen, die dafür sorgen sollen, dass kein wichtiges Gesetz versehentlich durchs Raster fällt. Außer den Ministerien sollen auch noch weitere Gremien sowie das Parlament eingebunden werden. "Da geht nichts schief", versicherte Moser. "Wenn bei fünfmaliger Kontrolle noch immer einer nicht weiß, dass ein Gesetz wichtig ist, kann es nicht so wichtig sein." Über die Abschaffung der unnötig gewordenen Gesetze soll dann im Parlament im Herbst abgestimmt werden.

Die Rechtsbereinigung ist aber erklärtermaßen nur der erste Schritt eines umfassenden Reformpakets, das Moser noch in diesem Jahr schnüren will. Folgen soll noch eine Neuaufteilung der Aufgaben zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Diese sogenannte Kompetenzentflechtung zielt vor allem auf die Bereiche Bildung, Mindestsicherung und Gesundheitswesen. Zudem wurden Ministerien und Interessenvertretungen bereits aufgefordert, bis Mai zu melden, wo EU-Vorgaben übererfüllt werden.

© SZ vom 24.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: